Ohne sie könnten die großen Containerfrachter Hamburg gar nicht anlaufen. Schlepper wie die „Bugsier 9“ bewegen Riesen mit 13.000 Containern an Bord. Unser Reporter begleitete die Crew bei einem Manöver.

Im ersten Augenblick muss man an Raumschiff Enterprise denken: Ein durchdringendes, sich wiederholendes Fiepen eines Alarmhorns dringt vom Steuerstand durchs Schiff – ein Ton ganz so wie in der alten TV-Serie, wenn mal wieder Klingonen Ungemach verbreiten wollten. Für Kapitän Florian Fröhlich, 31, und seine Crew vom Schlepper „Bugsier 9“ ist es aber das Signal zum Aufbruch, ausgelöst durch die Einsatzzentrale: „Begleitung eines Aufkommers“– so lautet hier an der Schlepperstation Neumühlen an diesem Mittag sein Auftrag.

Die „Hanjin Asia“, ein großes Containerschiff mit einer Ladefähigkeit von gut 13.000 Containern, ist angemeldet. 366 Meter lang ist es, gut 20 Meter mehr als die viel bestaunte „Queen Mary 2“. Die „Bugsier 9“ soll es bei Wedel in Empfang nehmen, weil solche gewaltigen Schiffe ab der Landesgrenze nicht allein in den Hafen einlaufen dürfen. Die 6000-PS-Maschine des Schleppers brummt auf, ein Matrose wirft die Leinen los. Dann schiebt sich das bullige Schiff fast schräg vom Steg weg. Fröhlich steuert mit zwei joystickartigen Hebeln oben auf der Brücke zwei drehbare Antriebe unter dem Rumpf. „Das ist, als wenn man zwei Außenborder bewegt“, erklärt er.

Dann nimmt die „Bugsier 9“ Fahrt auf, ungewöhnlich stark schwankt sie im Elbwasser. Hin und her schwappendes Wasser und Treibstoff in den Tanks, aber auch die zwei variablen Antriebe führen dazu. „Wir merken das kaum noch“, sagt Fröhlich. Maschinist und 1.Offizier grinsen. Sie sind auch etwas anderes gewohnt. Mit einer sogenannten Pfahlzugkraft von 84 Tonnen gehört ihr Schiff zu den stärkeren Schleppern im Hafen. Ein Gewicht von 84 Tonnen könnte die „Bugsier 9“ quasi vom Land wegziehen. Eine Kraft, die nicht nur im Hafen gebraucht wird. Bis weit in den englischen Kanal oder hoch bis zu den schottischen Shetlandinseln führt die Crew gelegentlich ein Auftrag. Ölbohrplattformen muss das Schiff dann ziehen, oder auch große Pontons. Fünf Meter hohe Wellen auf der Nordsee sind dort nicht selten. Fröhlich und seine Mannschaft arbeiten dabei in einem Zwei-Wochen-Rhythmus, zwei Wochen sind sie Zuhause, zwei Wochen an Bord. „Unser zweites Zuhause“, wie Fröhlich sagt.

Einsatzort ist die Schlepperbrücke vor den würfelartigen Glasbauten an der Altonaer Elbkante, wo die meisten der etwa 20 großen Hamburger Hafenschlepper stationiert sind. Mehrere Schlepper-Unternehmen wie Bugsier haben sich dort zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, wie an einem Taxistand verteilt die Einsatzzentrale die Aufträge. „Jobs“, wie sie genannt werden. Ein Rund-um-die-Uhr-Routinegeschäft, das nach mit den Reedereien fest ausgehandelten Sätzen abgerechnet wird. Bis in die 90er-Jahre hatten die fünf großen Hamburger Schlepper-Unternehmen den Markt im Griff. Doch dann kamen die Holländer mit ihren kräftigen roten Schleppern und Besatzungen aus Ostdeutschland hinzu. Ein heftiger Konkurrenzkampf begann. Tarife wurden unterboten. Es gab Streit um Subventionen vor Gericht. Hamburger Zeitungen schrieben vom Schlepper-Krieg im Hafen. Es kam sogar zu Rempeleien.

Der Pulverdampf ist längst verzogen. Die Arbeitsgemeinschaft der Hamburger Schlepper-Reedereien und das holländische Unternehmen Kotug helfen sich bei Engpässen sogar aus, die Tarife haben sich wieder angeglichen. Die „Bugsier 9“ schiebt sich nun langsam gegen den schon schwachen Flutstrom Richtung Wedel. Das Hochwasser hat fast seinen Scheitelpunkt erreicht, von dem hellen Strand am Ufer ist nur ein schmaler Streifen zu erkennen. Ein Zeitpunkt, an dem Schiffe mit viel Tiefgang den Hafen erreichen können. Für die ganz großen Containerschiffe soll die Fahrrinne tiefer ausgebaggert werden, doch noch liegt die Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht. Noch können viele Schiffe auf der Elbe deshalb nicht so viel Ladung transportieren, wie in anderen Revieren. Aber schon jetzt sind sie Realität auf der Elbe.

Leichter Nebel liegt nun über dem Fluss, auf der rundum verglasten Brücke knistert der Hafenfunk, die Maschine wummert sanft, ganz leise dringt von unten aus der Kombüse Musik, „Born in the USA“ von Bruce Springsteen. Vor dem Bug taucht nun ein Erzfrachter auf, der wie eine dicke Ente tief im Wasser liegt. Dann ist im Dunst eine Art schwimmender Würfel auszumachen: „Nee, das ist zwar ein Großer, aber unser ist größer“, sagt Fröhlich, der den regen Schiffsverkehr über zwei unterschiedliche Radargeräte verfolgt.

2004 als er sein erstes Patent erworben hatte, schipperten die größten Containerschiffe um die 6000 Standard-Container (TEU) über die Meere, seit gut zwei Jahren fahren auch 13.000-TEU-Schiffe auf der Elbe, seit Kurzem sogar 16.000-TEU-Frachter. Aufbauten und Container bilden dabei quasi riesige Segelflächen, die bei Wind stärker als der Flussstrom wirken können. Ab Landesgrenze muss deshalb ein Schlepper auch schon vor den eigentlichen Hafenmanövern bereit sein, um bei einem Notfall wie einem Maschinenausfall rechtzeitig zur Stelle sein zu können.

Wenig später kommt die „Hanjin Asia“ in Sicht, ein Linienfrachter, der zwischen Asien und Hamburg pendelt und etwa alle 77 Tage in Hamburg ist. Fröhlich steuert die „Bugsier 9“ an den Rand des Fahrwasser. Ein kleines, schwarzes Motorboot mit hoch schäumender Bugwelle kurvt plötzlich um das Heck des riesigen, schwarzen Containerfrachters und manövriert sich stramm an den Rumpf heran, wo aus einer Luke bereits die Lotsenleiter heraushängt und über die zwei Gestalten an Bord kommen: Die Hafenlotsen, die sich wenig später per Funk melden.

Drei Schlepper fordern sie an. Die „Bugsier 9“ soll das Heck übernehmen, um zu bremsen. Zwei weitere Schlepper braucht die „Hanjin Asia“ jeweils noch an Steuerbord und Backbord zum Manövrieren. Hoch oben am Heck des Frachters tauchen plötzlich zwei Matrosen mit weißem Schutzhelm auf, eine Wurfleine wird zum Schlepper geworfen, den Fröhlich jetzt ganz dicht mitlaufen lässt. Über eine große Winde der Bugsier rollt dann der dicke Draht ab. Anbinden, heißt der Vorgang im Hafenjargon. Auch die anderen beiden Schlepper sind bald angebunden. Mit halber Kraft arbeitet die Bugsier nun gegen die Fahrtrichtung des Frachters, alleine würde ein solcher Gigant in der Strömung immer weiter gleiten.

Vor dem Parkhafen und dem Eurogate-Terminal beginnt dann das Drehmanöver, das im Wesentlichen mit Schlepperkraft funktioniert. Über Funk kommen die kurzen Anweisungen des Lotsen. „,Bugsier 9,‘ zwei Strich Backbord. Voll! ,Hunte‘, vier Strich!!“ Strich bezeichnet dabei 11,25 Grad. Die Schlepperkraft wirkt nun schräg, die „Hanjin Asia“ dreht sich im Strom, erst kaum merkbar, schließlich immer deutlicher. Eine gewaltige schwarze Wand erscheint vor der Schlepperbrücke. Dann geht der Zug wieder achteraus, rückwärts wird der Frachter zum Liegeplatz gezogen. Langsam, Minute um Minute, Meter um Meter.

An der Kaikante warten schon Festmacher, wie die Männer heißen, die die dicken Trossen an Land annehmen. Gelbes Blinklicht flackert bereits auf den Containerbrücken, gleich holen sie die ersten Boxen von Bord. Die drei Schlepper drücken den schwarzen Rumpf noch heran an die Kaimauer – dann ist der Job erledigt.