Von 2003 bis 2008 brachte der Senat 50 Jugendliche in dem geschlossenen Heim unter. Behörde machte viele Fehler

Alsterdorf. Als 1998 zwei jugendliche Intensivtäter den Lebensmittelhändler Willi Dabelstein in Tonndorf erstechen, wird schlagartig das Problem der inneren Sicherheit zu einem der wichtigsten politischen Themen in Hamburg. Unter Rot-Grün gilt die Maxime, Jungen, die jünger als 16 Jahre sind und gegen Gesetze verstoßen haben, nicht in Untersuchungshaft unterzubringen.

Allerdings haben die Richter auch keine Möglichkeit, die jugendlichen Intensivtäter in ein geschlossenes Heim einzuweisen. Stattdessen werden die „ganz harten Fälle“ in intensiv betreuten Wohnungen untergebracht.

Diese Art der Jugendhilfe kostet den Staat zwar viel Geld, hat aber einen Makel: Wenn es den Jugendlichen zu viel wird, können sie sich den Erziehungsmaßnahmen entziehen. SPD und Grüne ignorieren das Problem der inneren Sicherheit und verlieren bei der Wahl im September 2001 die Macht.

Die aus CDU, FDP und der Schill-Partei bestehende Regierungskoalition verspricht, rasch ein geschlossenes Heim für jugendliche Kriminelle zu errichten. Vor allem die Partei von Ronald Schill macht Druck. Bis zu 200 Jugendliche will der frühere Amtsrichter, inzwischen Innensenator, unter wenig komfortablen Bedingungen unterbringen.

Die CDU hält das für übertrieben. Die zuständige Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) spricht zunächst von 90 Plätzen. Als im Januar 2003 das geschlossene Heim an der Feuerbergstraße eröffnet wird, geht es zunächst darum, die vorhandenen zwölf Plätze zu belegen. Sollte der Bedarf steigen, kann das Heim kurzfristig auf 25 Plätze aufgestockt werden. Allerdings wird diese Zahl in den fünf Jahren, in denen das Heim existiert, nie erreicht.

Die Unterbringung in dem Heim ist klar geregelt. Voraussetzung ist der Beschluss eines Familienrichters. Zudem müssen zuvor alle Möglichkeiten der Jugendhilfe ausgeschöpft sein. In dem Heim sollen die Jugendlichen eine „letzte Chance“ erhalten, ihre „kriminelle Karriere“ ohne Gefängnisstrafe zu beenden. In der ersten Phase ihrer Unterbringung dürfen sie das Heim nicht verlassen. Später sind Ausgänge in Begleitung eines Betreuers möglich.

Während die Grünen und die Jugendhilfe-Szene gegen das Heim Sturm laufen, hält die Kritik der SPD sich zunächst in Grenzen. Das liegt auch daran, dass Sozialpädagogen in der Einrichtung mit den Jugendlichen arbeiten und die Jungen beschult werden. Allerdings gleicht das Heim in den ersten Monaten nach seiner Einrichtung einem „Haus der offenen Tür“. So gelingt Jugendlichen wiederholt die Flucht – auch deshalb, weil die Verantwortlichen in der Sozialbehörde den Eindruck vermeiden wollen, das Heim gleiche einem Gefängnis.

Auch im täglichen Umgang mit den Jugendlichen werden schwerwiegende Fehler gemacht. So erhalten einige Jugendliche ohne Erlaubnis ihrer Eltern Psychopharmaka. Andere werden eingewiesen, obwohl gesetzliche Einspruchsfristen noch laufen.

Sozialpädagogen berichten später von chaotischen Zuständen und unklaren Strukturen in den ersten Monaten nach der Einrichtung des Heimes. Es fehlt an eindeutigen inhaltlichen Vorgaben durch Heimleitung und Sozialbehörde, an denen das pädagogische Handeln hätte ausgerichtet werden können.

Oft müssen die Betreuer in dieser Zeit Entscheidungen „auf die Schnelle“ treffen. Das Ganze geschieht in angespannter Atmosphäre. Gewalt gegen Mitarbeiter sei an der Tagesordnung gewesen, berichtet ein Ex-Mitarbeiter: „Es hat ständig eine latente Bedrohung in der Feuerbergstraße bestanden.“

Die Sozialbehörde überarbeitet wiederholt das Konzept. Es gibt eine intensivere Betreuung. Die jährlichen Kosten für das Heim belaufen sich auf 1,4 Millionen Euro. Im Jahr 2005 setzt die Opposition einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss durch. Während die Union an der Einrichtung festhält, lehnen die Grünen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus weiter eine geschlossene Unterbringung von Jugendlichen ab. Die Sozialdemokraten fordern ein gemeinsames Heim aller norddeutschen Bundesländer.

Im Jahr 2007 gerät der Untersuchungsausschuss zum Spektakel. Am 24. Oktober tritt Hamburgs ehemaliger Innensenator Ronald Schill vor dem Ausschuss auf. Der umstrittene Politiker hatte nach dem Bruch der bürgerlichen Koalition Hamburg in Richtung Karibik verlassen und war nur für seine Aussage vor dem Ausschuss zurückgekehrt. Neues tritt während seiner Vernehmung aber nicht zutage.

Als nach der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 ein schwarz-grünes Bündnis geschmiedet wird, bedeutet dies das Aus für das geschlossene Heim an der Feuerbergstraße. Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) schließt es am 12. November 2008 offiziell.

50 Jugendliche wurden im Verlaufe der Jahre in der Jugendhilfeeinrichtung betreut. Im Schnitt blieben sie 240 Tage. Meist waren ihnen 20 bis 30 kriminelle Taten zur Last gelegt worden, häufig gefährliche Körperverletzung und Raub.

Zuletzt bot das Heim sechs geschlossene und sechs offene Plätze an. Nach seiner Schließung wurden jugendliche Intensivtäter in anderen Bundesländern untergebracht.