Der Senat plant ein neues Hochschulgesetz, durch das Männer bevorzugt werden, wenn sie unterrepräsentiert sind. Gleichstellungsbeauftragte befürchten nun das Ende der Frauenförderung.

Hamburg. Es ist ein Satz, der in keiner Stellenausschreibung für eine Hochschulprofessur fehlen darf: „Frauen sind bei gleicher Qualifikation bevorzugt zu berücksichtigen.“ In Hamburg könnte sich das demnächst ändern. Derzeit wird an der Elbe ein neues Hochschulgesetz diskutiert, unter anderem soll darin auch das Thema Gleichstellung neu geregelt werden. Konkret sieht der Entwurf vor, dass künftig auch Männer bevorzugt behandelt werden müssen. Und zwar dann, wenn ihr Anteil an der Fakultät oder Hochschule (ohne Fakultäten) unterrepräsentiert ist. Sprich: Geplant ist eine Männerquote.

„Das finden wir falsch“, sagt Christiane Prochnow-Zahir, Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW und Sprecherin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten (LaKoG) und bestätigt damit einen Artikel der „Tageszeitung“. Das Gremium lehnt die Veränderungen strikt ab und bezieht offen Front gegen die Gesetzesnovelle von Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Mit der Formulierung werde die Möglichkeit eingeräumt, dass Männer im Wissenschaftsbetrieb benachteiligt würden. „Aber nach wie vor haben es Frauen deutlich schwerer“, so Prochnow-Zahir.

Tatsächlich liegt der Frauenanteil in der Hamburger Professorenschaft bei gerade mal 24,2 Prozent (Stand 2011, neuere Zahlen gibt es nicht). Gleichzeitig sind etwa knapp 48 Prozent der Studierenden weiblich, unter den Doktoranden sind es 45 Prozent. Der Nachholbedarf in den Führungsetagen der Hochschulen ist also immens. So sind etwa an der TU Harburg nur 7,2 Prozent Frauen. Darauf zielte der bislang im Gesetz festgeschriebene Grundsatz der Frauenförderung. Dass nun auch die Männer in die Formulierung einbezogen werden, entspreche der Linie des Senats, heißt es in der Wissenschaftsbehörde in Bezug auf das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm 2013–2015, das derzeit in den Ausschüssen der Bürgerschaft beraten wird. Man orientiere sich dabei an internationalen „Gender“-Bemühungen, eine möglichst geschlechtsneutrale Sprache zu verwenden.

Die Empörung der Gleichstellungsbeauftragten kann man in der Behörde nicht nachvollziehen. Derzeit gebe es keine Fakultät oder Hochschule, an der die Zahl der Professorinnen höher ist als die der Professoren. Die neue Regelung sei „de facto eine Frauenquote“, sagte eine Sprecherin.

Aus Sicht der Gleichstellungsbeauftragten ist die Planung hingegen ein „fatales, politisches Signal. Es geht an der Realität vorbei“, sagt Isabell Collien, Gleichstellungsbeauftragte der HafenCity Universität (HCU). Gleichberechtigung mache sich nicht an der Zahl der Köpfe fest. Die strukturelle Benachteiligung sei viel grundsätzlicher, etwa wenn die gleichberechtigte Teilhabe an Ressourcen, Personal und Ausstattung verwehrt werde. Hinzu komme, dass Frauen nach wie vor allen Familienprogrammen zum Trotz die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung zugewiesen werde.

Grüne sehen neue indirekte Benachteiligung von Frauen

Es gebe, so die Argumentation der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten, eine nachweisliche Benachteiligung von Frauen in Wissenschaft, aber nicht von Männern. „Solange das so ist, müssen Staat und der Gesetzgeber darauf hinwirken, bestehende Nachteile für Frauen zu beseitigen. Die Frauenförderung muss bleiben“, fordert Prochnow-Zahir.

Auch bei den Grünen stoßen die geplanten Veränderungen auf Kritik. „Die neue Gleichstellungsregelung kommt fortschrittlich daher“, sagt die wissenschaftspolitische Sprecherin Eva Gümbel, „aber es ist eine Frage der Bezugsgrößen.“ Sie befürchtet sogar neue indirekte Benachteiligungen von Frauen.

So gebe es an der Universität traditionell Fakultäten mit einem niedrigen Frauenanteil etwa in den Naturwissenschaften und andere, in denen traditionell mehr Frauen tätig seien. „Eine Frauenquote in diesen Bereichen bringt noch lange keine Gleichberechtigung“, sagt die Wissenschaftspolitikerin. „Aber in den Fakultäten mit höherem Frauenanteil greift dann die Männerquote.“

Derzeit ist der Gesetzentwurf, der auch in anderen Punkten heftig umstritten ist, in der Beratung. Senatorin Stapelfeldt hat zugesagt, alle Argumente, die an die Behörde herangetragen werden, selbstverständlich ernst zu nehmen. Man werde sich intensiv damit auseinandersetzen, ließ sie mitteilen.