Der Eigentümer Klausmartin Kretschmer will das besetzte Gebäude anders nutzen. Doch hätte er wirklich eine Chance auf Räumung? Eine Analyse der Situation am Schulterblatt in der Schanze.

Sternschanze. Anfangs waren es eher dubiose Andeutungen über eine angebliche amerikanische Sicherheitsfirma, die das Gebäude nutzen wolle. Doch seit sich der Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer mit seinem Berater Gert Baer zusammengetan hat, häufen sich in diesen Wochen seine Attacken auf das von Linksautonomen besetzte Stadtteilzentrum Rote Flora. Vorläufiger Höhepunkt: Am Wochenende verlangte Kretschmer von der Band Fettes Brot 5000 Euro für deren Auftritt in der Flora, andernfalls werde man gegen sie das Hausrecht durchsetzen und ein Konzertverbot erlassen.

Zuvor hatte er beim Bezirk Altona eine andere Nutzung für das marode Gebäude beantragt, wollte dort sogar Flüchtlinge unterbringen lassen. Parallel haben Kretschmer und Baer einen Vorbescheidsantrag gestellt, um aus der Flora ein Veranstaltungszentrum mit einem Konzertsaal für rund 2500 Besucher zu machen. Die Besetzer, so teilten sie süffisant mit, könnten sich ja mit Aktien an dem Projekt beteiligen. Das klingt nach heftiger Provokation und ist es nach Meinung von Bezirkspolitikern wie Mark Classen (SPD) auch, um mit dem Szenario von Krawallen der Autonomen die Stadt zu einem Rückkauf des Gebäudes zu bewegen. Baer indes bekräftigt die Absicht, dort jetzt ein Flora-Stadtteilkulturzentrum bauen zu wollen. 2001 hatte Kretschmer das damals schon besetzte Gebäude von der Stadt gekauft und die „Rotfloristen“ gut zehn Jahre lang gewähren lassen.

Sein Immobilienberater Baer ist da offensichtlich weniger philanthropisch veranlagt: Noch kurz vor dem Konzert der Hip-Hop-Band Fettes Brot hatte der Kretschmer-Vertraute offenbar versucht, mit Hausverbot und Strafanzeige, erneut zu provozieren – nicht nur die Besetzer der Roten Flora, auch die Polizei. Er, der neben Kretschmer mittlerweile zur zentralen Hassfigur der Flora-Szene avanciert ist, wolle sich das Konzert am Sonntagabend gern live ansehen, sagte er Medienberichten zufolge. Vor Ort wurde er dann zwar nicht gesehen. Die Chance, dass er freundschaftlich empfangen worden wäre, ist allerdings sehr gering, die teilweise heftig zerstrittenen linken Nutzergruppen haben seine Pläne sogar eher wieder zusammengebracht.

Aber auch wenn Baer an dem Abend selbst keinen Polizeieinsatz auslösen konnte, zum Einsatz kamen die Beamten dennoch: Gegen 23.15 Uhr versammelte sich eine größere Gruppe schwarz gekleideter Autonomer auf dem Schulterblatt, auf dem zuvor mehr als 1000 Menschen der Videoübertragung des Konzerts in der Flora beigewohnt hatten. Die Linksradikalen liefen über die Juliusstraße und die Stresemannstraße auf die Polizeiwache 16 zu, wurden aber wenige Meter davor von einer Polizeikette gestoppt. Die aggressive Gruppe lief dann durch die Schanzenstraße in Richtung Weidenallee und zog zahlreiche Bauzäune und Mülltonnen auf die Straße.

Werden sich solche Provokationen künftig wiederholen? Und was passiert, wenn Baer und Kretschmer sogar mit einer Räumung drohen? „Das ist für uns alles schwer zu kalkulieren“, sagt SPD-Politiker Classen. Der Bezirk hat inzwischen einen Bebauungsplan verabschiedet, der den Istzustand der Roten Flora quasi einfriert. Eigentlich müsste ein Eigentümer nun zum Verkehrswert an die Stadt verkaufen, weil sich das Haus nicht anders verwerten lasse, sagt Classen. Doch Baer und Kretschmer gehen offensichtlich noch einen anderen Weg. „Das ist richtig gruselig“, so Mark Classen.

Doch welche Chancen haben Drohungen mit Räumung und Hausverbot? Fachleute sehen da eher wenig Potenzial. Und das hat mit der Vorgeschichte zu tun. Kretschmer hatte das ehemalige Theatergebäude zu einem eher günstigen Preis von 370.000 D-Mark erworben. Im Kaufvertrag ist allerdings eindeutig festgeschrieben, dass das Haus besetzt ist und von dem Verein der Roten Flora in Form einer Duldung genutzt wird. Ein Hausverbot für eine Band wie jetzt Fettes Brot lässt sich da wohl schwer durchsetzen, sagt Joachim Lenders von der Deutschen Polizeigewerkschaft, weil der Auftritt ja kein Hausfriedensbruch ist, sondern von den Nutzern eindeutig gewünscht war. „Ich sehe da nichts, was strafrechtlich relevant ist“, so Lenders.

Tatsächlich dürfte es für Kretschmer und Baer schwierig werden, in der Roten Flora mithilfe der Staatsgewalt eine andere als die bisherige Nutzung durchzusetzen. Der Mietrechtsspezialist Marc Meyer vom Verein Mieter helfen Mietern erklärt dies mit dem Unterschied von Eigentümer und Nutzer. „Ein Immobilienbesitzer kann auch nicht bestimmen, wen sein Mieter zur Party einlädt“, so Meyer. Dass die Rote Flora nicht gemietet, sondern besetzt ist, spiele da rechtlich kaum einen Unterschied. Beides sei eine sogenannte Gebrauchsüberlassung, einmal gegen Geld und einmal ohne Zahlung. Zumal in diesem Fall, weil das Haus ja bereits beim Kauf von den Rote-Flora-Aktivisten genutzt worden sei und dieser Zustand seit 24 Jahren geduldet sei. Ein Hausverbot lässt sich da gar nicht durchsetzen, bestätigt Anwalt Meyer. Auch Gebühren wie in diesem Fall geplant könne der Flora-Eigentümer nicht erheben.

Und eine Räumung? Polizeigewerkschafter Lenders verweist dazu auf das Zivilrecht. Erst wenn ein Eigentümer nach längerer gerichtlicher Auseinandersetzung einen Räumungstitel erwirkt haben sollte, trete der Staat auf den Plan. Und zwar zunächst der Gerichtsvollzieher. „Da könnte es dann sein, dass die Polizei im Rahmen der Amtshilfe unterstützen muss“, sagt Lenders. „Wir sind keine Geschmackspolizei, wir müssen das dann machen“, so Lenders. So wie die Polizei auch genehmigte Demonstrationen schützen müsse, selbst wenn sie vielen Beamten nicht gefallen würde.

Doch auch die Durchsetzung eines Räumungstitels vor Gericht dürfte nach Einschätzung von Rechtsanwalt Meyer „reichlich kompliziert“ für den Flora-Eigentümer werden – eben, weil es die jahrelange Duldung gegeben hat. Meyer: „Das ist kein Selbstgänger und wenn, würde es sehr lange dauern.“