Die Internationale Bauausstellung hat Hamburg verändert. Sie war ein perfekter Auftakt.

„Aus dem Norden kommt nur Schlechtes: die Flut, Giftmüll, Autos und Politik“ – dieser alte Spruch, den die Wilhelmsburger im Zorn prägten, sagt viel über das belastete Verhältnis der Elbinsel zum Rathaus aus. Als der Sprung über die Elbe 2004 Regierungsprogramm wurde und mit der Gartenschau igs und der Internationalen Bauausstellung (IBA) gleich zwei Stadtentwicklungsprojekte in den Süden vergeben wurden, war die Skepsis entsprechend groß. Was wurden da für Befürchtungen laut – Kritiker sahen eine millionenschwere Geldverschwendung für Architekten-Spielwiesen und Design-Gärten; sie warnten vor Mietpreisexplosionen und der Verdrängung der Alteingessenen. Die Kritik gipfelte im Motto „IBA versenken, Wohnraum verschenken“.

Heute lädt die IBA zum großen Finale ins „Tor zur Welt“. Der Ort ist klug gewählt, denn das Bildungszentrum ist nicht nur eine neue Schule – allein schon ein Bekenntnis in Zeiten sinkender Geburtenzahlen –, sondern eine ganzes Stadtteilzentrum, das Schule, Kita, Volkshochschule, Bühne und Umweltcenter unter einem Dach verbindet. Bildung, das haben die IBA-Macher zu Recht erkannt, ist der Schlüssel zur Entdeckung und Entwicklung des lange vernachlässigten Südens. Wer in die Köpfe investiert, schafft Werte für die Zukunft. Wer Leuchttürme errichtet, lockt Neubürger an, gerade Familien mit kleinen Kindern. Hamburg wird nur wachsen können, wenn es seine Potenziale in abgehängten Stadtteilen wie Wilhelmsburg zu heben beginnt. IBA und igs haben den Süden der Stadt schon verändert: Wo Brache war, blüht der Inselpark, wo Ödnis herrschte, ist die Neue Mitte gewachsen, die Giftmülldeponie Georgswerder hat sich in ein Ausflugsziel verwandelt. Insgesamt 63 Projekte hat die Bauausstellung auf den Weg gebracht oder umgesetzt, bodenständige wie die preisgekrönte Sanierung der Arbeiterwohnungen im Weltquartier, abgedrehte wie das weltweit erste „Algenhaus“ mit seiner Bioreaktorfassade. Man muss nicht alles schön finden, aber es bereichert den Stadtteil architektonisch und funktional. Eine IBA versteht sich als Labor der Stadtentwicklung, sie muss experimentieren, Wohnungsbau neu denken, sie darf, ja muss dabei auch Fehler machen.

Diese IBA sendet eine Menge Impulse, die über Wilhelmsburg, Kirchdorf oder Harburg hinausweisen. Die Bauausstellung zeigt Wege auf, wie Brachen inmitten der Stadt entwickelt werden können, wie auch andere Viertel wie etwa Hammerbrook von Gewerbegebieten zu Lebensräumen werden. Und die Bauausstellung beweist, dass mit etwas politischem Willen die oftmals trägen Strukturen in den Behörden beschleunigt werden können.

Auch wenn die IBA offiziell auf die Schlussgerade geht, beendet ist sie damit nicht. Hamburg muss gerade im Süden weiter wachsen. Das Ziel, jährlich 6000 neue Wohnungen zu errichten, wird in den kommenden Jahren nicht leichter, sondern schwieriger werden. Denn die Flächen werden nicht wachsen, der Widerstand schon. Eine Lehre der IBA muss daher sein, wie man flächensparend baut. Auch klimaschonende Häuser sind keine spinnerte Idee von Ökos, sondern eine Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit einer Metropole. Die IBA, zuerst vorangetrieben vom damaligen Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU), hat vor einem knappen Jahrzehnt die richtigen Fragen gestellt und gibt nun faszinierende Antworten. Diese gilt es fortan umzusetzen. Olaf Scholz bescheinigte Wilhelmsburg gestern beim Senatsempfang geradezu euphorisch „Modellcharakter“, die IBA habe den Blick von angesagten Quartieren wie Altona oder Eimsbüttel auf die Insel im Fluss gerichtet.

Schön wär’s. Immerhin hat die Politik nun geliefert; doch für einen dauerhaften Erfolg des Sprungs über die Elbe werden sich alle Hamburger bewegen müssen.