St. Pauli, Schanze, St. Georg – Hamburg gilt als Testmarkt für neue Trend-Getränke. Nach Bionade, Fritz-Kola, Ali Cola und Elbler kommt jetzt der „Glühapfel“ auf den Markt.

Es war einmal ein Mann, der sich auf die Braukunst verstand. Der erfand anno 1995 ein Getränk, das keinem so richtig schmeckte, außer einigen Hamburgern. Die stellen es als eine Art Arznei in eine Apotheke. Über Ottensen wurde das braune Elixier dann endlich doch bekannt und machte seinen Erfinder reich. Diese märchenhafte Geschichte passierte mit dem alkoholfreien Erfrischungsgetränk Bionade. 2007, dem Spitzenjahr, wurden 200 Millionen Flaschen davon verkauft.

Und sie passiert in Hamburg immer wieder. Denn Hamburg gilt als Testmarkt für Getränke „weil die Hamburger neugierig und mutig sind und wir viele Hotspots haben, wo neue Getränke in den Markt finden“, sagt Torsten Sedat, Vertriebsleiter beim Getränkegroßfachhändler Göttsche. Die beliebtesten Treffpunkte seien die Schanze, die HafenCity, der Kiez auf St. Pauli und St. Georg. „In Zukunft wird Wilhelmsburg dazukommen, weil dort sich eine Szene entwickelt.“ Der Branchenführer Göttsche hat 1997 die Bionade, die keiner haben wollte, eingeführt. „Wir wussten nicht wohin damit und starteten tatsächlich in Apotheken“, sagt Sedat.

Aktuell sind auf dem Getränkemarkt wieder Männer mit einem ungewöhnlichem Gebräu ungewöhnlich erfolgreich: Charmant und fröhlich stellen der ehemalige HSV-Torhüter Stefan Wächter und Jan Ockert ihr neuestes Produkt vor: den „Glühapfel“ – ein Apfelwein mit vier Volumenprozent Alkohol aus Äpfeln vom Alten Land in der Ein-Liter-Flasche, die im Topf erhitzt werden muss. Beide haben im vergangenen Jahr mit dem Apfelwein „Elbler“ einen tollen Start hingelegt.

Die „Elbler“-Produktion beträgt in diesem Jahr mehrere 100.000 Flaschen, so dass aus der nebenberuflichen Gründung eine Hauptbeschäftigung wurde. Der „Glühapfel“ ist wie der „Elbler“ auf den Hamburger Geschmack abgestimmt: regionale Produkte, 100 Prozent bio und keine künstlichen Aromen und Farbstoffe. Stefan Wächter: „Das ist eine Alternative zum Glühwein und schmeckt weihnachtlich.“

Hamburger sind verwöhnt

Groß geworden auf dem Hamburger Markt ist auch Fritz-Kola, die 2003 hier mit einem schwarzen Logo entwickelt wurde. Fast zum Verwechseln ähnlich sieht die „Ali Cola“ aus, die der Hamburger Aydin Umutlu Anfang des Jahres auf den Markt brachte. „Ali Cola“ setzt nicht wie Fritz-Kola auf „viel Koffein“ sondern auf: „wenig Kohlensäure, wenig Zucker, viel Integration“. Mirco Wolf Wiegert, einer der Erfinder von Fritz-Kola, sagt: „Der Markt wird bunter werden, mit immer neuen Getränken. Aber: Die Hamburger sind verwöhnt, wollen Qualität.“

Offensichtlich sind Getränke dann erfolgreich, wenn sie eine Botschaft haben. Unter den Getränken, die in Hamburg entstanden oder die hier ihren Erfolgsweg starteten, sind auch: „Aloha“, „Viva con Aqua“, „Sour“ „Lemonaid“, „ChariTea“ und „VitaMalz“.

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„Es muss sich herumsprechen“, sagt René Knüppel, der bei Göttsche für die Schanze, St. Pauli und Großkunden zuständig ist. Idealer Start für ein neues Getränk seien im Sommer die Beachclubs, weil dort Getränke in so großen Mengen konsumiert werden, dass an sonnigen Wochenenden manchmal zweimal nachgeliefert wird. Beachclubs machen Insidern zufolge in nur vier Monaten den Umsatz, den Szenegastronomen im ganzen Jahr erzielen. René Knüppel sieht den Markt immer in Bewegung. Neben der heimatlichen Verbundenheit sei das Marketing mit Flyern, Gläsern und Musterwaren wichtig. „Die Hamburger wollen probieren und anfassen.“ Er muss es wissen, denn Göttsche verkauft nicht nur Getränke, sondern finanziert auch die Geschäfte von Kunden und berät bei den Konzepten. Wie ist der Hamburger Getränkegeschmack?

„Hamburger mögen es frisch und herb.“ Unter den Städten, in denen Trendgetränke entstehen können, hätte Hamburg nach Berlin den zweiten Platz. „Dann folgen München, Köln/Düsseldorf und Frankfurt. In anderen Städten entstehen keine Trends.“

In München arbeitet Sepp Gail als Chef des Verbandes des Deutschen Getränke-Einzelhandels. Der trinkt am liebsten ein „dunkles Weißbier von Paulaner“ und sieht das Bier immer noch auf Platz eins. In den Getränkeabholmärkten hat immer noch Bier 50 Prozent am Umsatz, 40 Prozent haben alkoholfreie Getränke und zehn Prozent Wein und Schnaps.

Hamburger Getränke werden auch immer „absurder“ , sagt René Knüppel, und führt als Beispiel den „Mexikaner“ (Mix aus Sangrita picante, Wodka, Pfeffer, Salz und Tabasco). „Jeder Gastronom auf dem Hamburger Berg hat seinen eigenen gemixt; mache bieten ihn als Kurzen für 50 Cent an.“

Für die beiden Apfelweinproduzenten Wächter und Ockert wird 2014 spannend. „Wir werden einen noch größeren Boom bei leicht alkoholisierten Apfelgetränken erleben“, sagt Torsten Sedat. Dann würden auch die Großen auf den Markt drängen.