Sprecher besteht auf Gruppenlösung. Afrikaner in der St. Pauli Kirche wollen aber Identität preisgeben und einen Antrag auf humanitären Aufenthalt stellen. Flüchtlinge werden sich mit ihren Anwälten bei den Behörden melden.

Hamburg. Es war nur eine Pressekonferenz, trotzdem war die Stimmung im Hinterhaus der GEW-Geschäftsstelle angespannt. Seit Tagen hatte die Öffentlichkeit auf eine Entscheidung der Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe gewartet. Würden sich die 300 Afrikaner darauf einlassen, einen Aufenthaltsantrag zu stellen und den Behörden ihre Identitäten und Fluchtgeschichten preisgeben? Es dauerte fast eine Stunde, bis klar war: Sie tun es nicht.

Stattdessen schlugen zwei Sprecher der Gruppe die Gründung einer Kommission vor, um über das Schicksal der Flüchtlinge weiterzuverhandeln. Erst dann wollen sie ihre Namen nennen. Das hatten sie am Morgen dem Senat in einem fünfseitigen Papier mitgeteilt. In der Kommission sollten auch die „zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen und Institutionen“ vertreten sein, die den Flüchtlingen seit sechs Monaten in ihrer Notlage helfen. „Wir stellen aber keine Anträge gemäß dem Vorschlag des Senats“, heißt es weiter, „und wir lassen auch nicht unsere gültigen Dokumente einziehen.“ Ziel sei ein Aufenthaltsrecht für die ganze Gruppe.

Was in diesem Moment wie eine weitere Runde in der seit Monaten festgefahrenen Situation zwischen dem Senat und den Flüchtlingen und ihren Unterstützern gewirkt hatte, stellte sich nur wenige Stunden später komplett anders dar. Erstmals gibt es eine Spaltung in der Gruppe.

Die 80 Männer, die seit Juni in der St. Pauli Kirche untergekommen sind, wollen den Behörden ihre Identitäten nennen und einen Antrag auf humanitären Aufenthalt stellen. „Wir sind froh, dass eine Brücke zwischen Senat und Flüchtlingen gebaut ist“, sagte St.-Pauli-Pastor Sieghard Wilm dem Abendblatt. „Wir raten den Flüchtlingen dringend, das Angebot anzunehmen.“ Ab sofort werden sich Flüchtlinge mit ihren Anwälten bei den Behörden melden.

Aktivisten planen an jedem der vier Adventssonntage Demos auf der Mö

Der Streit um den Aufenthaltsstatus der westafrikanischen Wanderarbeiter, die während des Bürgerkriegs in Libyen nach Italien geflohen waren, währt bereits mehr als fünf Monate. Vor Beginn des Winters hatte sich der Konflikt verschärft, auch weil die Polizei nach einem monatelangem Moratorium verstärkt Polizeikontrollen in St. Georg und auf St. Pauli durchgeführt hatte. Seitdem gehen immer wieder zahlreiche Hamburger auf die Straße, um ein Bleiberecht für die Afrikaner einzufordern. Teilweise kam es dabei auch zu Ausschreitungen. Eine weitere Großdemonstration ist für diesen Sonnabend geplant. Außerdem sollen laut „Bild“-Zeitung an allen vier Adventssonntagen Proteste in der Innenstadt angemeldet sein. Demnach verhandelt die Polizei derzeit mit dem Anmelder, einem Mitglied der Flüchtlingsunterstützer „Karawane“, über den Demonstrationsweg.

Auch am Dienstag verlangten die Flüchtlinge und ihre Unterstützer eine politische Lösung. „Wir sind anerkannte Flüchtlinge in Italien und in Europa“, sagte Gruppensprecher Asuquo Udo.

Dennoch erhielten sie keinen Schutz. Die Flüchtlinge wollten keine Sozialleistungen, sondern wollten arbeiten und sich integrieren. „Deshalb bestehen wir als Gruppe darauf, dass eine Lösung gemäß Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes umgesetzt werden soll.“ Dieser erlaubt es den Landesbehörden im Falle der Zustimmung des Bundesinnenministeriums, Ausländergruppen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Der Senat beharrt dagegen auf einer Einzelfall-Prüfung. Für die Dauer des Verfahrens solle eine Duldung gelten. Das sei aber nur ein Aufschub ohne Rechtsverbindlichkeit, kritisierte eine Rechtsanwältin der Flüchtlinge und begründete so die neuerlichen Forderungen nach „vertrauensbildenden Maßnahmen“ in Form weiterer Gespräche.

Während Vertreter von Grünen und Linken den Vorschlag der Flüchtlinge begrüßten, hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) erneut an die Flüchtlinge appelliert, Identität und Fluchtgeschichte offenzulegen, „um in ein klares, transparentes Verfahren zu kommen, wie es für Hunderte andere Flüchtlinge obligatorisch ist“. Am Abend stand der Senator im Innenausschuss noch einmal Rede und Antwort. Er gab zu Protokoll, dass bei den bisherigen Polizeikontrollen 35 Flüchtlinge erkennungsdienstlich behandelt wurden, 21 von ihnen hätten Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung gestellt. Den Forderungen der Flüchtlinge erteilte er eine klare Absage. „Für Verhandlungen und Kommission sehe ich keine Notwendigkeit.“

Unterdessen bleibt die Flüchtlingspolitik innerhalb der Hamburger SPD ein stark diskutiertes Thema. Im Umgang mit der Gruppe der etwa 300 Afrikaner, die über Lampedusa nach Hamburg geflohen sind, fordern einige Sozialdemokraten in einem Antragsentwurf für den Landesparteitag am Freitag Polizei und Behörde zu „größtmöglicher Sensibilität“ auf. In Bezug auf die Polizeikontrollen gegen Afrikaner im Umfeld der Kirche auf St. Pauli soll es auch SPD-intern Kritik gegeben haben.

Genauso hebt der Antrag deutlich die Verantwortung der Flüchtlinge und der Aktivisten hervor, die Identitäten der Asylsuchenden gegenüber den Behörden offenzulegen. Mit der Forderung nach einer Einzelfallprüfung verharmlose die SPD weder die Flüchtlingskatastrophen vor Lampedusa noch bereite man damit den Weg zu einer sofortigen Abschiebung vor.