Der Architekten- und Ingenieurverein zeichnet unter anderem das Betriebshaus der Ernst-August-Schleuse aus. Manches Lob dürfte auch eine kleine Kritik am allgemeinen Baustil in der Stadt beinhalten.

Hamburg. Das Betriebshaus einer Schleuse, zwei markante Wohntürme und eine restaurierte Kirche – es sind höchst unterschiedliche Gebäude, die der Hamburger Architekten- und Ingenieurverein (AIV) in diesem Jahr als Bauwerke des Jahres auszeichnet. Fünf herausragende Beispiele, die 2012 entstanden sind, hat die Jury dieser ältesten Hamburger Standesorganisation der Baubranche ausgewählt.

Bereits 1859 ist der AIV gegründet worden, zu seinen Mitgliedern zählten schon der Rathaus-Architekt Martin Haller und Hamburgs legendärer Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Seit 1979 kürt der Verein jedes Jahr besondere Neubauten und bewertet dabei nicht allein die Architektur der Fassade, sondern vor allem das Zusammenspiel der einzelnen Planerdisziplinen.

Am heutigen Donnerstagabend werden bei der Preisverleihung in der Jugendmusikschule daher auch immer mindestens zwei Büros ausgezeichnet. Und manches Lob dürfte auch eine kleine Kritik am allgemeinen Baustil in der Stadt beinhalten. So zum Beispiel bei den prämierten Wohntürmen am Grete-Zabe-Weg in Eilbek (Architektinnen: Sophie Vochré, Janine Feddersen und Heike Plehn, Statik: Otto Wulff Bauunternehmen). Die beiden achtgeschossigen Türme würden neue Maßstäbe setzen, heißt es in der Laudatio des Hamburger Architekten Gerhard Hirschfeld.

Völlig unterschiedliche Grundrisse seien in den einzelnen Stockwerken geschaffen worden, die eine „Entsprechung in der Fassadenvielfalt“ bekämen. Von beiden Gebäuden erhoffe er sich eine „Signalwirkung“, da trotz des vielfachen Wohnungsbaus in der Stadt durch den oft „gewonnenen Kampf der Bauökonomen“ eine allgemeine Langweile meist schon von Anfang an programmiert sei.

Ebenfalls als Bauwerk des Jahres zeichnet der AIV das Ökumenische Forum aus, das in der HafenCity von 19verschiedenen Kirchen getragen wird. Auch dieser Bau hat nach Ansicht der AIV-Jury nicht unter einem „Anpassungsdruck der Ökonomie“ gelitten. Das Gebäude strahle „Zurückhaltung und Gelassenheit“ aus und knüpfe mit seiner Maurerhandwerkskunst an die expressionistische Architektur des Chilehauses an. Preisträger dafür ist sind das Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch aus Saarbrücken sowie das Hamburger Büro Weber Poll Ingenieure.

Einen Sonderpreis Denkmalpflege als Bauwerk des Jahres vergibt der AIV in diesem Jahr für die Neugestaltung des Innenraums der zwischen 1320 und 1420 erbauten Hauptkirche St. Katharinen. Dem Architekten Helmuth Riemann aus Lübeck und dem Hamburger Büro WTM Engineers sei es gelungen, die ursprüngliche Weite des Raumes wiederzugewinnen. Alle neuen Elemente zeigten sich deutlich als erkennbare Werke der Gegenwart, zeugten aber gleichzeitig von „besonderem Einfühlungsvermögen“ in den historischen Kirchenraum, heißt es in der Laudatio.

Ein ebenfalls ausgezeichnetes Gebäude ist das Betriebshaus der neuen Ernst-August-Schleuse in Wilhelmsburg (Wagenknecht Architekten sowie das Büro Kersig und von Hanneken, Tragwerksplanung; Bauausführung: Knabe Enders Dührkop GmbH aus Hamburg sowie Jörg Dörwald aus Gettorf). Hier habe sich für ein technisches Bauwerk der Wille gezeigt, sich besonders für das Gebäude zu engagieren und es an dieser Stelle „in Szene“ zu setzen.

Fünftes Bauwerk des Jahres ist in diesem Jahr der Neubau der Grundschule Barlsheide. 420 Kinder verschiedener Nationalitäten lernen dort. Architekt Andreas Heller und das Ingenieurbüro WTM Engineers hätten dort einen Lernort geschaffen, der zu neuen pädagogischen Ansätzen und zu mehr Offenheit und Flexibilität passe, so der Architekten- und Ingenieurverein. Es gebe Räume für für Projektarbeit ebenso wie für das konzentrierte Lernen.

Die Jugendmusikschule sei erfolgreich integriert worden – zudem sei ein eigener Zugang zur Sporthalle für Vereine geplant worden. Es sei den Planern vor allem in besonderer Weise gelungen, so die Begründung der Jury, für die Schüler „eine freundliche und einladende Atmosphäre“ zu schaffen. Als Details nennt der AIV dazu beispielsweise kleine Fenster zwischen Klassenzimmer- und Gruppenraum, die eigens auf Kinderaugenhöhe gebaut worden seien. Auch eine besondere Uhr am Haus oder auch filigrane, freundliche Blumenmotive an den hohen Fenstern der Haupteingänge werden von den Experten in der Jury als besonders gelungen hervorgehoben.