Kritik der Anwohner bleibt, die örtlichen Geschäfte atmen auf: „Erste positive Auswirkungen sind zu spüren“

Altona. Ende Juni nächsten Jahres sollen hier die ersten Kunden zwischen Billy-Regalen und Klippan-Sofas wandeln, am Donnerstagnachmittag drängelten sich im Erdgeschoss des künftigen Ikea-Gebäudes in Altona schon einmal rund 1200 Gäste der Richtfestfeier. Die grauen Betonsäulen des Rohbaus waren dazu blau und gelb in den Ikea-Farben beleuchtet, es gab Sekt, Bier, Salate und Geschnetzeltes für Anwohner, rund 300 Bauarbeiter und Bezirksvertreter. Proteste von Gegnern des Projekts, wie noch zur Grundsteinlegung, gab es nicht.

Wie überhaupt für den schwedischen Möbelkonzern der Bau seines Möbelhauses mitten in einer Fußgängerzone bisher relativ problemlos verlief. „Das ist wohl die spannendste Baustelle von Ikea, wir sind aber noch immer voll im Zeit- und Kostenplan“, sagt Christian Mollerus, der künftige Chef des Einrichtungshauses an der Großen Bergstraße. Am 30. Juni werde Eröffnungstermin sein, rund 80 Millionen Euro investiere Ikea in Altona, so Mollerus. Gut 5000 Kunden erwartet Ikea ab Sommer nächsten Jahres täglich, an Sonnabenden noch weit mehr. Gut die Hälfte werde mit Bussen, Bahn oder Rad anreisen, sagen die Ikea-Planer. Möbeltaxis und Lastenräder sollen daher die Waren bringen. „Noch am selben Tag“, sagt Mollerus.

Baubeginn für Ikea in Altona war im November 2012, vor etwa drei Jahren hatte nach langer Diskussion im Stadtteil auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal der Abriss des lange leer stehenden Frappant-Komplex’ begonnen. Zuletzt hatten sich in dem 70er-Jahre-Bau Künstler einquartiert. Die in den 60er-Jahren neu angelegte Fußgängerzone galt da schon lange nicht mehr als zugkräftiges Einkaufsmeile Altonas – was sie früher einmal war.

Die Große Bergstraße war sogar einmal die erste moderne Fußgängerzone Deutschlands: 1973 eröffnete Versandhauskönig Josef Neckermann dort im Waschbetonneubau Frappant ein neues Warenhaus, das spätere Karstadt. Diskotheken und Restaurants in dem Bau galten als die „schicksten“ der Stadt. Bald aber schon bröckelte nicht nur der Beton, sondern das ganze Image der Straße. Geschäfte und Ämter zogen sich zurück, Handy- und Dönerläden zogen nach.

Ursprünglich hatte Ikea zwar einen dritten Hamburger Standort in Othmarschen an der Autobahn erwogen, doch Bezirkspolitiker verwiesen angesichts dieser Entwicklung auf das marode Frappant. Mehrere Investoren, meist Immobilienfonds, hatten sich da schon an eine Projektentwicklung für das Gebäude gewagt, die Vorhaben scheiterten aber immer wieder – und die Pläne der Bezirkspolitik für eine Revitalisierung des Straßenzuges erwiesen sich als trügerisch. Ikea erschien da als ein geeigneter Hoffnungsträger.

Für Politik und Verwaltung jedenfalls. Denn gegen das Ikea-Projekt gab und gibt es bis heute noch Protest: Die Eröffnung des Möbelhauses werde dazu führen, dass die Mieten steigen, kleine Geschäfte und geringverdienende Mieter würden verdrängt, argumentieren Gegner der Ansiedelung. Der Recht-auf-Stadt-Aktivist Christoph Twickel spricht gar von „einem Turbo der ökonomischen Aufwertung“. Zudem werde es zu großen Verkehrsproblemen kommen, Ikea würde mit dem Stadtteil experimentieren, so Twickel.

Der Zusammenschluss der örtlichen Geschäfte, ECA (Einkaufs City Altona), indes unterstützte die Ansiedelung von Anfang an und initiierte sogar ein Pro-Ikea-Bürgerbegehren, das sich gegen ein gegenläufiges Begehren klar durchsetzen konnte.

Inzwischen sind die Auswirkungen der Ikea-Pläne rund um die Große Bergstraße tatsächlich zu spüren: Nicht nur auf der Ikea-Baustelle, auch nebenan drehen sich derzeit Baukräne. „Nach dem Ansiedlungsbeschluss gab es nahezu für alle Nachbargrundstücke Bauanträge zur Aufstockung oder zum Umbau“, sagt der Bezirkspolitiker Sven Hielscher (CDU), der in der Bezirksversammlung lange den Ikea-Sonderausschuss geleitet hatte. Ikea erweise sich damit als die größte und wichtigste Investition in das Zentrum, so Hielscher.

Während es rund um das ehemalige Frappant in den letzten Jahren kaum noch größere Lebensmittelgeschäfte gab, sind dort tatsächlich in jüngster Zeit mehrere Supermärkte und sogar ein Bioladen eingezogen. Ein Computerladen eröffnete, ein neuer Buchladen und auch ein Geschäft mit speziellen Tuchen. Der ECA-Vorsitzende Klaus-Peter Sydow bleibt deshalb bei seiner positiven Einschätzung – auch wenn sich der jetzige Rohbau als recht massiger Bau erweist: „Es ist ein großer Klotz, aber das war uns immer klar.“ Ikea sei nun der erste Schritt für eine umfangreiche Revitalisierung, sagt Sydow.

Steigende Mieten und die befürchtete Verdrängung sehe er indes nicht. Noch immer lägen nach Recherchen der ECA die Mieten an der Großen Bergstraße nur etwa halb so hoch wie beispielsweise in der Eimsbüttler Osterstraße, sagt Sydow, der selbst Mieter ist. „Man muss sehen, von welchem Niveau wir kommen – da gab es gar nicht viel zu verdrängen.“

Auch die Apothekerin Hella Dierking, ebenfalls ECA-Mitglied, begrüßt die Ikea-Ansiedelung. Ein solches Haus wird eben von vielen unterschiedlichen Menschen aufgesucht – was auch den anderen Geschäften Kunden bringe. „Schon jetzt ist hier die Vielfalt viel größer geworden“, sagt sie.