„Deal“ vor Gericht: 30-Jähriger erspart Opfern die Aussage und kommt so mit maximal fünfeinhalb Jahren Haft davon

Hamburg. Für Eltern ist es ein Albtraum: Ein 30 Jahre alter Erzieher hat am Montag vor dem Hamburger Landgericht gestanden, mehrere Mädchen und Jungen im Alter von drei bis neun Jahren in der kirchlichen Kita am Kriegerdankweg (Schnelsen) und in seiner Wohnung in Norderstedt sexuell missbraucht zu haben. Der Angeklagte räumte zudem ein, Hunderte pornografische Fotos von den Kindern gemacht zu haben.

Stefan H. war von 2011 an in der kirchlichen Kita am Kriegerdankweg beschäftigt, im Januar 2013 wechselte er auf eigenen Wunsch zur Kita Glashütte in Norderstedt. Wenig später erstattete die Mutter eines Mädchens Anzeige. Stefan H. sollte die Vierjährige in seiner Wohnung an einem Wochenende betreuen – anschließend zeigte das Kind Anzeichen eines Missbrauchs. Seit April befindet sich der Erzieher in U-Haft. Die Eltern von vier Kindern treten in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Die Taten räumte der 30-Jährige erst nach langem Hin und Her ein. Im Gegenzug für das Geständnis hatte das Gericht bereits im Vorwege eine Strafobergrenze von fünfeinhalb Jahren in Aussicht gestellt. Ziel der Vereinbarung ist es, den Opfern eine Aussage vor Gericht zu ersparen. Zudem muss Stefan H. mit einem Berufsverbot rechnen.

Beim Prozessauftakt am Montag verwickelte sich Stefan H. in Widersprüche und versuchte einige der Anklagepunkte herunterzuspielen. Deshalb stand der „Deal“ zunächst auf der Kippe. Erst nach einer deutlichen Warnung des Gerichts räumte er die Vorwürfe ein. Es tue ihm leid, das Thema sei „zu sehr mit Scham besetzt“. Zudem tauchten Hinweise auf pathologische Gewaltfantasien des Pädagogen auf.

Angeklagt war Stefan H. wegen neun Sexualstraftaten; einen Fall hat die Staatsanwaltschaft allerdings eingestellt. Stefan H. räumte unter anderem ein, zwei Mädchen bei „Doktor-Spielen“ unsittlich berührt zu haben. Außerdem habe er zwei Jungen, 5 und 9, in der Kita an ihren Geschlechtsteilen angefasst. Besonders schlimm traf es die Vierjährige, die dem 30-Jährigen im Februar 2013 zur Wochenend-Betreuung anvertraut worden war. Dabei entkleidete er die Kleine, machte rund 300 Fotos sowie Filme und verging sich an ihr. H. sagte, er habe während seiner Ausbildung zum Erzieher zwar festgestellt, dass er sich zu Kindern hingezogen fühlte. Aus „Angst vor Ablehnung“ habe er sich aber nicht um Hilfe bemüht. Seit seiner „problematischen Kindheit“ sei diese Angst tief bei ihm verwurzelt. Er sei in der Schule gemobbt und ausgegrenzt worden. Erst als Erzieher sei es für ihn bergauf gegangen.

Eltern und Erzieher der betroffenen Einrichtungen des Kita-Werks Niendorf-Norderstedt reagierten nach Bekanntwerden der Vorwürfe geschockt. „Es herrscht noch immer tiefe Unsicherheit“, sagte Uwe Büth, Chef des Kita-Werks.