Zur Deckung der 37 Millionen Euro Verlust soll jeder Senator „nach Haushaltsresten suchen“ In Koblenz kamen 2011 dreieinhalbmal so viele Besucher

Wilhelmsburg. Am letzten Tag der Internationalen Gartenschau 2013 (igs) steht fest: Die igs GmbH wird Ende 2014 voraussichtlich mit einem Defizit in Höhe von 37 Millionen Euro aufgelöst. Rund eine Million Besucher in 171 Tagen haben bei Weitem nicht ausgereicht, die Kosten auch nur ansatzweise zu decken. Offensichtlich hatte die Gartenschau nicht einmal genügend Anziehungskraft in Hamburg und Umgebung, von hier kamen nicht einmal die Hälfte.

„Das ist bitter“, kommentierte die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt Jutta Blankau (SPD) dieses Ergebnis, und fügte gleich hinzu, dass es noch nie eine Gartenschau geschafft habe, ohne Zuschüsse auszukommen. Die SPD-Politikerin betonte mit brechender Stimme die Bedeutung des durch die igs geschaffenen Inselparks für kommende Generationen: „Hier wurde zu Recht ein Park für alle Bürger geschaffen.“ Jetzt beginne die Suche nach Ursachen. „Wir werden die Gründe des Defizits sorgfältig untersuchen“, sagte igs-Geschäftsführer Heiner Baumgarten.

Lag es an den Ausgaben? „Bis Ende März hatten wir in erster Linie die Kosten im Blick“, sagte die Senatorin, „die Investitionen wurden auf den Euro eingehalten.“ Es sei eine große Leistung, mit den Herstellungskosten und dem Zeitplan im Rahmen zu bleiben, sagte Baumgarten. „Dies müsse auch in solchen Zeiten gewürdigt werden.“ Auch die laufenden Kosten in Höhe von 60 Millionen Euro seien nicht überschritten worden.

Bleibt die Einnahmenseite: Experten gingen von 2,5 Millionen Besuchern aus. Ein Zahl, die angesichts der 3,6 Millionen Besucher 2011 zur Bundesgartenschau (BUGA) in Koblenz und 1,9 Millionen 2009 in Schwerin nicht infrage gestellt wurde. Wären eine Million Besucher prognostiziert worden, „wäre die Entscheidung für eine igs nicht positiv ausgefallen“, so Blankau.

Von heute an ist der Eintritt auf das Gartenschau-Gelände frei

Im Juni scheinen die Alarmglocken geläutet zu haben. Die Senatorin rief einen Beirat ins Leben, der sich vor allem mit der Überarbeitung des Marketingkonzepts und der Preisgestaltung beschäftigen sollte. Den Vorsitz hatte Jochen Sandner, Geschäftsführer der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft.

Gegen das Wetter, was als eine der Ursachen herangeführt wurde, konnte der Beirat nichts mehr machen. Die igs startete mit wochenlangem Regen, erst Juli und August lieferten bestes igs-Wetter. „Es fehlte die Anfangsbegeisterung“, stellte Jochen Sandner, fest. Und damit die schönen Bilder und die Multiplikatoren. Der Standort war, so vermutet die Senatorin, ein weiterer Grund. „Die Schwelle, die Wilhelmsburg in vielen anderen Teilen Hamburgs hat, ist noch zu hoch“, machte die Senatorin als Ursache der mangelnden Begeisterung der Hamburger aus. Als „lohnendes Unternehmen“ bezeichnete Oberbaudirektor Jörn Walter das Projekt igs. „Ohne die Gartenschau wäre es uns nicht gelungen, eine Million Menschen hierherzubringen.“ Er bezeichnete es als gutes Zeichen, dass Hamburg nicht nur HafenCity und Elbphilharmonie baut. Die igs werde sich langfristig auszahlen. Generationen vor uns hätten den Volkspark und den Stadtpark in sehr viel schwierigeren Zeiten angelegt und heute seien wir stolz darauf. „Unsere Generation hat auch einen Beitrag zur grünen Metropole Hamburg geleistet.“

Waren die Eintrittspreise zu hoch? „Nein“, sagt Blankau. Auch die Einführung weiterer Rabatte hätte keine signifikanten Bewegungen nach oben gebracht. Die Verantwortlichen bezweifeln, dass eine weitere Reduzierung des Eintrittspreises den davon erhofften Besucheransturm gebracht hätte. Heiner Baumgarten hält es für unrealistisch und Jochen Sandner, der sich seit 20 Jahren mit Gartenschauen beschäftigt, sieht die Preise nicht als ausschlaggebend. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, das Marketing sei für das Desaster verantwortlich. Personalveränderungen, falsche Entscheidungen, zu wenig Aktivitäten: Es wird vieles bemängelt. Für die Deckung der 37 Millionen Euro Defizit sprach Blankau von einer behördenübergreifenden Lösung. Jedes Ressort müsse nun nach Haushaltsresten suchen. Das müsse auch mit der Bürgerschaft besprochen werden.

Die Zukunft des igs-Geländes ist gesichert. Als Wilhemsburger Inselpark bleibt es den Hamburgern erhalten. „Bis Ende 2014 ist es Aufgabe der igs GmbH, den Park umzugestalten und geordnet zu überführen“, sagte Heiner Baumgarten. Viele Bereiche bleiben erhalten, zum Beispiel alle fünf Spielplätze sowie viele Gärten in den unterschiedlichen Welten. Die Dahlien gehen an den Dahliengarten im Altonaer Volkspark. Im Süden des Parks werden 150 Bäume gepflanzt sowie zusätzliche 60 Kleingärten gebaut. Die Container im Eingangsbereich sowie die Monorailbahn werden entfernt. Während der Umbauphase wird der Park weiter von der igs gepflegt. Die Kosten dafür in Höhe von 1,4 Millionen Euro im kommenden Jahr seien bewilligt, sagte Blankau.

Eine Diskussion muss in Zukunft nicht mehr geführt werden: Von nun an ist der Eintritt im Wilhelmsburger Inselpark für Besucher frei.

Minou Tikrani, 54, war von 1987 bis 1992 beim Hamburger Abendblatt