Der Skandal um den Bischof von Limburg zwingt die Vertreter der Kirchen zum Umdenken

Auf den französischen Theologen Alfred Loisy (1857–1940) geht der Satz zurück: „Jesus kündete das Reich Gottes an – und gekommen ist die Kirche.“ Der Katholik beschreibt jenen Konflikt, in dem Gottes Bodenpersonal bis heute steht. Einerseits sind die kirchlichen Amtsträger Nachfolger des jüdischen Wanderpredigers Jesus aus Nazareth, der religiös verordnete Normen neu interpretierte und das Armutsideal lebte und predigte. Anderseits sind sie – in systemtheoretischer Perspektive – Protagonisten einer Institution, die wie alle Systeme in komplexen Zusammenhängen darauf zielen, sich selbst zu erhalten. Es bedarf daher gerade heute fester Strukturen und klar verteilter Aufgaben, damit die Sache Jesu in einer stark pluralisierten Gesellschaft weitergeht.

Doch muss die katholische Kirche dafür Millionen von Euro für einen Amtssitz ausgeben? Es ist der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, Spross einer niederrheinischen Bauernfamilie, der jetzt ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik gerät. Der Bau seiner bischöflichen Residenz gegenüber dem Limburger Dom, immer teurer geworden wie die Hamburger Elbphilharmonie, kostet nach den neuesten Angaben sage und schreibe 31 Millionen Euro. Kritiker werfen dem Geistlichen Prunksucht und neuerdings falsche eidesstattliche Versicherungen vor. Oder sie stellen Ferndiagnosen und bezeichnen ihn angesichts seines Führungsstils als „krank“. Der Bischof verteidigte derweil sein Vorgehen mit dem Hinweis, es gehe darum, Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen.

Die Kritik am Finanzgebaren dieses Gottesmanns ist in hohem Maße verständlich. Gerade eine Institution, deren Aufgabe die öffentliche Vermittlung von religiös aufgeladener Moral ist, wird danach beurteilt, wie moralisch sie selbst handelt. Dass der Bischof zu Limburg mit seiner Residenz gleichsam einen kleinen Turm zu Babel (1. Mose 11) baut und auf diese Weise das ihm zugewiesene göttliche Mandat überschreitet, mag eines Tages den Denkmalschützern und Kunstkennern gefallen. Wie heute der Petersdom oder die sakralen Werke von Michelangelo respektable Zeugnisse einer Epoche sind, in der die Renaissance-Päpste als Auftraggeber kaum nach den Idealen Jesu lebten, sondern einen feudalen Lebensstil mit zahlreichen Eskapaden pflegten.

Doch vor allem die Berufschristen, die geweiht (katholische Priester) und ordiniert (evangelische Geistliche) sind, sollten ihr Handeln immer wieder neu an der Ethik Jesu überprüfen. Schließlich darf es nicht sein, dass zwischen dem Glauben des Religionsgründers und dem Agieren der Institution Kirche eine große Lücke klafft. Einer, der das jetzt als Pontifex beispielhaft vorlebt, ist Papst Franziskus. Wie einst der Italiener Franz von Assisi konfrontiert er den satten römischen Klerus mit dem Leben des jüdischen Asketen Jesus. Und verzichtet selbst auf die päpstlichen Insignien einer Institution, die zwar auf das Kommen des Reichs Gottes hofft, sich aber komfortabel in dieser Welt eingerichtet hat.

Daher sollte der Limburger Bischof sich fragen: Was würde Jesus dazu sagen? Diese Frage sollten sich im Übrigen alle stellen, die mit Kirchensteuermitteln und Staatsleistungen ausgestattet in herausgehobenen kirchlichen Funktionen arbeiten. Und sich mit teuren und protzigen Dienstwagen durch ihre Bistümer und Landeskirchen chauffieren lassen. Sie sind Rechenschaft nicht nur ihrem Dienstherrn schuldig, sondern auch den Millionen Steuerzahlern. Die Kirchenmitglieder vertrauen darauf, dass die gezahlten Gelder angemessen eingesetzt und nicht verschleudert werden. Sollte dieses Vertrauen nach den jüngsten Skandalen weiter erschüttert werden, verliert die Institution Kirche weiter an Glaubwürdigkeit – und an Mitgliedern.