Volksentscheid zwingt die Stadt, für Fernwärmeleitung zu kämpfen. Im kommenden Jahr soll Hamburg sich bei der Konzessionsvergabe um die Netze bewerben.

Hamburg/Wedel. Der Volksentscheid macht aus den ehemaligen Partnern Hamburg und Vattenfall wieder Gegner. Denn beide Parteien werden sich bald schon wieder vor Gericht sehen. Dort wird Hamburg klären lassen, ob die Fernwärme automatisch wieder in städtische Hand zurückgeführt werden kann. Dies geht aus der sogenannten Endschaftsklausel im Konzessionsvertrag hervor, den Hamburg im Jahr 1994 mit dem Vattenfall-Vorgänger HEW geschlossen hatte. „Wir werden die Klage wieder aufnehmen“, kündigte Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde, an.

Vattenfall hat stets bestritten, dass der Vertrag auf diese Weise interpretiert werden könne. Dagegen hatte die Stadt geklagt. Als sich der SPD-Senat und der schwedische Energiekonzern auf den Netze-Deal geeinigt hatten, der die Beteiligung von 25,1 Prozent an den Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen vorsah, ließ die Stadt den Prozess ruhen. Nachdem die Hamburger am 22.September für einen kompletten Rückkauf gestimmt haben, muss diese Vereinbarung rückabgewickelt werden.

Im kommenden Jahr soll Hamburg sich bei der Konzessionsvergabe um die Netze bewerben. Allerdings unterliegen die Fernwärmenetze, anders als die Strom- und Gasnetze, nicht diesem Konzessionsverfahren. Deshalb der erneute Gang vor Gericht. „Die Aufnahme der Klage ist Teil der Rückabwicklung“, erklärt Dumann. Wann genau sich wieder Richter mit diesem Streit beschäftigen, ist noch unklar.

Zudem droht weiteres Ungemach. Denn es ist gut möglich, dass Vattenfall die Pläne einer Fernwärmetrasse vom neuen Kohlekraftwerk Wedel wieder aufnimmt. Von diesen hatte Vattenfall nach Protesten von Umweltschützern wieder Abstand genommen. Stattdessen sah der Netze-Deal den Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) in Wedel vor. Dieses sollte im Winter 2017/18 ans Netz gehen und das bisherige und veraltete Kohlekraftwerk am selben Standort ersetzen. Nach Abendblatt-Informationen steht eine Genehmigung der Fernwärmetrasse kurz bevor. Bislang setzt Vattenfall aber weiter auf das Gaskraftwerk. „Es ist unsere bevorzugte Lösung, um 180.000 Haushalte im Hamburger Westen mit Fernwärme zu versorgen“, sagt Hauke Wagner, Vattenfalls zuständiger Manager für das GuD-Kraftwerk in Wedel.

Auch Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow spricht sich für Wedel aus. Es gibt aber Bedingungen: „Wenn die Fernwärmenetze bei uns bleiben, dann bauen wir definitiv.“ Sollte Hamburg mit seiner Klage durchkommen, müsste die Stadt verhandeln. Möglich wäre, dass Vattenfall die Planungen oder das ganze Kraftwerk verkauft.

Klar ist also, dass die Fernwärmetrasse reaktiviert wird, wenn das GuD-Kraftwerk nicht kommt. „Das wäre eine Rückfall-Option, aber nicht unsere bevorzugte“, so Vattenfall-Sprecherin Meyer-Buckow. Es gibt aber auch Stimmen bei Vattenfall, die diese Option bevorzugen würden. „Bislang geht doch die ganze Wärme in Moorburg in den Kühlturm“, heißt es da süffisant. Klar ist auch, dass Vattenfall das ungeliebte alte Kraftwerk in Wedel weiter betreiben dürfte.

Während Vattenfall und Hamburg um die Zukunft des Innovationskraftwerks ringen, ist der Wedeler Widerstand gegen die Pläne ungebrochen und zeigt auch erste Erfolge. Die Bürgerinitiative „Stopp – Kein Megakraftwerk Wedel“ hat nach anfänglichen Schwierigkeiten genügend Unterschriften für einen Bürgerentscheid zusammenbekommen. Das Kieler Innenministerium erklärte Ende September das Begehren für gültig. Damit steht einem Bürgerentscheid, der sich gegen den von der Stadt aufgestellten Bebauungsplan für das neue Gaskraftwerk richtet, nichts mehr im Wege.

Die Mitglieder der Bürgerinitiative, die laut eigenen Angaben mehr als 200 Mitglieder zählt, kritisieren den neu aufgestellten Bebauungsplan für das Kraftwerksareal am Tinsdaler Weg als bürgerunfreundlich. Wedels Bürgermeister Niels Schmidt verständigte sich bereits mit den Initiatoren darauf, den Bürgerentscheid aus organisatorischen Gründen auf 2014 zu verschieben.

Im kommenden Frühjahr könnten somit die Wedeler die Frage klären: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Wedel ein Bebauungsplanverfahren für das gesamte Kraftwerksgelände Vattenfall durchführt?“ Ob es allerdings überhaupt dazu kommt, wird sich noch im November zeigen. Denn die Kommunalpolitiker können dem Entscheid zuvorkommen, für eine Neuaufstellung des Bebauungsplans votieren und somit das teure Verfahren umgehen. Während der Bürgerentscheid noch aussteht, treibt Vattenfall die Baupläne weiter voran. Seit Ende September liegt die Genehmigung für den Bau des Gaskraftwerks vor. Der 171 Seiten starke Bescheid enthält zahlreiche Auflagen und Bestimmungen. Die detaillierten Genehmigungsunterlagen inklusive Begründung werden zusammen mit dem Bescheid vom 22. Oktober bis 4. November öffentlich ausgelegt. Dann können weitere Einwende erhoben werden. Die Initiative hat bereits angekündigt, davon Gebrauch zu machen.