Gaby Wentland gibt Zwangsprostituierten eine Unterkunft und Hoffnung. Das Abendblatt hatte die Hamburgerin für die Auszeichnung vorgeschlagen.

Hamburg. Gaby Wentland musste erst mal tief Luft holen, als sie erfuhr, dass sie mit dem Bürgerpreis der deutschen Zeitungen ausgezeichnet wurde. „Wir bekommen 20.000 Euro? Das ist ja unglaublich genial, genau die Summe brauchen wir für unser neues Filmprojekt gegen sogenannte ,Loverboys‘, die Mädchen Liebe vorgaukeln“, sagte die 56-Jährige am Dienstag glücklich.

Die vierfache Mutter bietet Frauen, die zur Prostitution gezwungen wurden, Schutz in ihrem „Mission Freedom Home“. Das ist eine geheime Unterkunft in Hamburg, in der bisher rund 30Frauen mit ihren Kindern untergebracht wurden. Das Hamburger Abendblatt berichtete im November 2013 auf seiner Seite „Von Mensch zu Mensch“ über Gaby Wentland.

Das Abendblatt schlug die engagierte Hanseatin dann als Deutschlands Bürgerin des Jahres beim Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vor. Beim Kongress des BDZV in Dresden entschied sich die Chefredakteurs-Jury am Dienstag für Wentland. Die Preisverleihung findet am 20.Februar in Berlin statt. Es ist das vierte Mal, dass der BDZV den Preis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgelobt. „Wir freuen uns sehr, dass unser Vorschlag genommen wurde“, sagte Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider.

Auch schon direkt nach der Veröffentlichung des Artikels erhielten Gaby Wentland und ihre elf Mitarbeiter viel Unterstützung. „Bei uns meldeten sich Ärzte, die uns nun bei der Betreuung der Mädchen helfen, Leser spendeten Kleider und andere Gegenstände. Wenn es ums Helfen geht, sind die Hamburger einfach unschlagbar“, sagte Gaby Wentland. Im Januar 2011 gründetet sie den Verein „Mission Freedom“. Er kümmert sich um die Opfer des Menschenhandels, die wie Vieh behandelt werden. Um Frauen und Kinder, die hier sexuell ausgebeutet und missbraucht werden. Schätzungen zufolge gibt es in der Bundesrepublik rund 400.000 Prostituierte.

70 Prozent von ihnen sind Migrantinnen. „Mission Freedom“ will diesen Frauen eine Perspektive für ihr Leben geben. Weil das nur möglich ist an einem Ort, der Sicherheit und Geborgenheit gewährleistet, eröffnete Wentland dazu ein geheim gehaltenes Haus für diese Frauen und ihre Kinder. Hier können sie in einer ruhigen Atmosphäre leben und physisch und psychisch zu Kräften kommen. „Mit falschen Versprechungen werden diese jungen Frauen aus armen Verhältnissen nach Deutschland gelockt“, sagt Gaby Wentland. Verschwiegen wird, dass sie ihre Schulden für Pass- und Visabeschaffung, Reise- und Unterbringungskosten abzuarbeiten haben. Und zwar als Prostituierte. Wer sich verweigert, wird gefügig gemacht. Die Täter drohen, der Familie in der Heimat etwas anzutun. „Die Frauen tun aus Angst alles, was von ihnen verlangt wird“, sagt Wentland. Sie bedienen als Zwangsprostituierte 20 bis 30 Kunden am Tag bei zwölf bis 14 Stunden Arbeitszeit. Sie können nicht fliehen, weil sie keine Papiere und panische Angst haben.

Und dennoch wagen es einige wenige. Sie vertrauen sich der Polizei oder Gaby Wentland an, die mit einer Streetworkerin regelmäßig in der Szene unterwegs ist. Manche von ihnen landen im „Mission Freedom Home“, das sich aus Spenden finanziert. Dort kümmern sich Mitarbeiter um die Frauen. Die Gründerin selbst kämpft in der Öffentlichkeit, reist herum, hält Vorträge. Sie will aufklären und mitreißen im Kampf gegen diese Form der Sklaverei.

Angst hat Gaby Wentland keine, obwohl ihr bewusst ist, dass sie sich mit ihrem Engagement zur Feindin der Zuhälter macht. Die 56-Jährige ist eine resolute, kämpferische Frau. Streitbar, geradlinig. Ein Mensch mit großem Gottvertrauen. Für die Mädchen ist sie wie eine Mutter. Sie selber hat zwei Töchter und zwei Söhne. Gaby Wentland engagiert sich auch deshalb so sehr, weil sie etwas zurückgeben möchte – Gastfreundschaft und Liebe. Beides erlebte sie zwischen 1981 und 1995 in Afrika, wo Menschen sie und ihren Mann liebevoll aufnahmen. Sie hat sich damals schon besonders für Frauen und ihr Schicksal engagiert. Zurück in Deutschland hat sie im Kampf gegen Zwangsprostitution ihre Lebensaufgabe gefunden. „Wenn ich nur eins von 1000 Mädchen retten kann, hat sich mein Einsatz gelohnt“, sagt sie.

Mit den 20.000 Euro Preisgeld will sie nun einen Film in Hamburg drehen, der über die sogenannten „Loverboys“ aufklärt. Das sind Männer, die Mädchen vor der Schule auflauern, ihnen die große Liebe versprechen, um sie dann zu Prostituierten zu machen. „Diese Männer schenken den Mädchen Kleider und Schmuck und schicken sie dann mit üblen Methoden auf den Strich“, sagt Gaby Wentland. Das zu verhindern ist ihr neuestes Projekt.

Weitere Infos unter Tel. 70292415, www.mission-freedom.de