1640 Einsatzkräfte trainierten in Harburg für den Ernstfall. Das Szenario: Zwei Maschinen kollidierten. Bei der Rettung lief jedoch nicht alles rund

Harburg. „Das gemeinsame Ausgangsszenario hat selbstverständlich nichts mit den New Yorker Anschlägen vom 11. September zu tun“, sagte Holger Poser, stellvertretender Referatsleiter Katastrophenschutz der Innenbehörde, aber nah dran war es doch: Über Harburg, so das Drehbuch, stößt ein Jet, besetzt mit 70 Passagieren, mit einem Kleinflugzeug zusammen. Das Privatflugzeug stürzt ab und explodiert auf einem Marktplatz, auf dem sich gerade 250 Menschen tummeln, während die Passagiermaschine bei der Notlandung auf dem Sonderlandeplatz in Hamburg-Finkenwerder – dem Airbus-Gelände – schwer beschädigt wird. Auch hier gibt es Tote und Verletzte, während auf dem Hamburger Flughafen Verwandte und Bekannte vergeblich auf die havarierte Maschine warten und bei Airbus sowie den Asklepios Kliniken die Alarmglocken schrillen...

Mehr als 15 Monate dauerten die Vorbereitungen für diese Großübung am Sonnabend, von der sich die Verantwortlichen neue Erkenntnisse über die Abstimmung, Koordinierung und Leitung der Maßnahmen aller eingesetzten Rettungskräfte und -mittel versprachen. Insgesamt nahmen 17 Organisationen und Institutionen an der mehrstündigen Simulation teil, die gegen 10.30 Uhr mit mehreren Explosionen auf einem Freigelände auf der Harburger Bahnhofsinsel an der Seevestraße begann. Autowracks gingen in Flammen auf, rund 150 der hier (von insgesamt 300) eingesetzten freiwilligen Opferdarsteller, von denen die meisten „schreckliche Verletzungen“ aus Theaterschminke und Kunstblut aufwiesen, fingen an, nach Leibeskräften um Hilfe zu schreien.

„So realistisch wie möglich, so realistisch wie nötig“, beschrieb Harald Borraja vom Altonaer Ortsverein des Technischen Hilfswerks (THW) die Anforderungen an die Übungsteilnehmer. Borraja fungierte als einer von zahlreichen offiziellen Beobachtern, wobei er vor allem die Arbeit der 90 teilnehmenden Rettungskräfte seiner Altonaer Truppe zu bewerten hatte – als Vorbereitung für die spätere Manöverkritik sowie die offizielle Auswertung der Übungsergebnisse, was nach den Worten Holger Posers jedoch noch einige Wochen dauern dürfte. Nur so viel: „Es sei nicht alles rund gelaufen“, lautete eine erste Stellungsnahme. Ohne Beanstandung war dagegen der erste „Notruf“ des THW-Übungsleiters René Wilken, der als „aufgeregter Augenzeuge“ keinen klaren Satz ins Mobiltelefon sprechen sollte. Das gelang dem erfahrenen Rettungsmann hollywoodreif. „Hilfe! Es brennt hier überall!“ – „Wo brennt es?“ – „Na hier! Sie müssen sofort jemanden schicken! Hilfe!“

So dauerte es – und auch das wurde von den zahlreichen Experten vor Ort als „äußerst realistisch" eingestuft – gut sieben quälend lange Minuten, bis die Rettungskräfte mit dem Chaos auf dem stilisierten Marktplatz konfrontiert wurden. Als Erstes erschien dann ein Löschfahrzeug der Feuerwehr, das sich sofort im sandigen Boden festfuhr. Inzwischen brannten die Autowracks lichterloh. Der schwarze Qualm nebelte eine benachbarte Baustelle ein, auf der jedoch gearbeitet wurde. Daher wurden zunächst die Wracks gelöscht. „Normalerweise hätte sich die Feuerwehr zuerst um die Verletzten kümmern müssen“, bemerkte Oberstleutnant Bernd Pfeiffer vom Bundeswehr-Standortkommando Hamburg. „Außerdem sind mir da zu viele Beobachter und ‚Supporter’ auf der Szenerie. Die behindern die Arbeit der richtigen Helfer.“ Die Bundeswehr sorgte für die Unterbringung der Freiwilligen sowie für ein mobiles Krankenhaus. Außerdem stellte sie mehrere Dutzend der vermeintlichen Opfer. Während die Soldaten jedoch freiwillig an der Übung teilnahmen, war es für gut 100 Polizeischüler der erste reguläre Wochenenddienst, seit sie ihre Ausbildung am 1. August dieses Jahres antraten. Dafür bekämen sie jedoch Überstunden gutgeschrieben, sagte der 21-jährige Christoph, der wie alle Mimen einen „Laufzettel“ um den Hals trug, auf dem seine Rolle definiert war: „Ich bin leicht verletzt, traumatisiert und ansprechbar!“

Am Ende der mehrstündigen Übung sei leider nicht alles rund gelaufen, ließ Katastrophenexperte Holger Poser bereits verlauten. Aber die Schwachstellen und Pannen würden in den kommenden Wochen selbstverständlich genau analysiert.