1500 Arbeitsplätze in Hamburg sollen nach Fusion von Det Norske Veritas und Germanischem Lloyd erhalten bleiben. Umweltschonende Technologien sollen das Kerngeschäft von DNV GL sein.

Hamburg. Henrik Madsen wirkte stolz, als er am Donnerstag im Hamburger Hotel Scandic erstmals als Chef des fusionierten Konzerns DNV GL auftrat. Nach gut neun Monaten Prüfzeit hatten die Kartellbehörden auf drei Kontinenten, darunter die der Europäischen Union, zuvor den Zusammenschluss von Det Norske Veritas (DNV) und Germanischem Lloyd (GL) zum weltweit drittgrößten Prüfkonzern freigegeben. Das war die Zeitspanne, die Madsen, bislang Chef des norwegischen DNV, von Beginn an genannt hatte. „Heute ist der erste Arbeitstag des neuen Unternehmens“, sagte er. „Wir sind in der Lage, in all unseren Geschäftssparten weltweit eine führende Position einzunehmen. Und wir werden für höhere Ziele arbeiten als nur für den Gewinn.“ Der neue Konzern startet mit etwa 17.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro, den DNV und GL im vergangenen Jahr insgesamt erwirtschaftet hatten.

Jahrzehntelang war ein Zusammenschluss von DNV und GL immer wieder einmal erwogen worden. Der Durchbruch gelang den Norwegern im vergangenen Jahr. Madsen überzeugte den Hamburger Investor Günter Herz vom Sinn einer Fusion. Dem Unternehmen Mayfair von Herz und dessen Schwester Daniela Herz-Schnoeckel gehörte Hamburgs Traditionsunternehmen Germanischer Lloyd seit 2006. Eigner von Det Norske Veritas ist die DNV-Stiftung. Am neuen Konzern DNV GL wird die Stiftung 63,5 Prozent der Anteile halten, Mayfair 36,5 Prozent. „Die Fusion geht mit einem klaren Bekenntnis der Familie Herz zum Standort Hamburg einher“, sagte Mayfair-Geschäftsführer Hinrich Stahl. „DNV ist für uns der Traumpartner. Diese Fusion ist wie eine Ehe auf Dauer angelegt.“ DNV GL wird ein norwegisches Unternehmen mit Sitz in der bisherigen DNV-Zentrale in Høvik bei Oslo sein.

Als DNV-Chef Madsen die Fusionspläne im vergangenen Dezember in Hamburg bekannt gab, wirkte das zunächst wie ein Ausverkauf eines der wichtigsten Akteure der maritimen Wirtschaft in der Hansestadt. Der Germanische Lloyd, gegründet 1867, ist eines der traditionsreichsten Unternehmen bei der Klassifizierung von Schiffen. Bei der Prüfung und technischen Abnahme von Containerfrachtern hielt das Unternehmen zuletzt als Weltmarktführer einen Anteil von mehr als 40 Prozent. „Wir haben in den vergangenen Jahren erheblich in den Germanischen Lloyd investiert“, sagte Stahl mit Blick vor allem auf die Übernahmen der Unternehmen Noble Denton und Garrad Hassan, die bei Zertifizierung von Anlagen in der Öl- und Gasindustrie und bei den erneuerbaren Energien tätig sind. „Aber wir hätten die Position des GL am Weltmarkt aus eigener Kraft nicht deutlich ausbauen können.“

Mit der Fusion wiederum entsteht der neue Weltmarktführer bei der Zertifizierung von Schiffen über alle Typenklassen. Rund 13.000 Einheiten werden derzeit von DNV GL betreut. Auch bei der Zertifizierung von Windturbinen an Land und auf See steigt DNV GL zum Weltmarktführer auf. Hamburg verliert den GL als eigenständiges Unternehmen mit weltweit bislang insgesamt 6900 Mitarbeitern, ist nun aber Sitz des neuen Geschäftsbereiches maritime Wirtschaft mit rund 6000 Mitarbeitern. Dieser umfasst neben der Schifffahrt auch das Geschäft mit der Offshore-Windkraft. Die bisherige Zahl der Arbeitsplätze in Hamburg selbst – rund 1400 beim GL, etwa 100 bei DNV – soll laut Madsen „stabil“ bleiben. „Hamburg als Sitz des operativen Geschäfts und Høvik als Hauptsitz des Konzerns werden die Zentren unseres Schifffahrtsgeschäftes sein“, sagte er. Zwischen den einzelnen Sparten und Standorten gebe es allerdings personellen Austausch und Wechsel. Neben dem Geschäftszweig maritime Wirtschaft basiert DNV GL auf den Sparten Öl und Erdgas, Energiewirtschaft sowie Industrieversicherungen.

Die Sparte maritime Wirtschaft führen der bisherige GL-Chef Erik van der Noordaa und der bisherige DNV-Manager Tor E. Svensen gemeinsam. Van der Noordaa wie auch Konzernchef Madsen sagten am Donnerstag, in der Schifffahrt registriere man eine wachsende Zahl von Neubauaufträgen. „Wir verzeichnen im Vergleich zum vergangenen Jahr ein deutliches Wachstum bei unseren Aufträgen für die Begleitung von Schiffsneubauten“, sagte Madsen. „Die Schiffbaupreise sind infolge der Schifffahrtskrise an einem Tiefpunkt angelangt, die Zahl der Bestellungen nimmt wieder zu. Das kann auf absehbare Zeit erneut zu Überkapazitäten am Markt führen – aber so ist nun einmal die Schifffahrt.“ Van der Noordaa erwartet zum Jahresende hin „eine signifikante Zunahme von Bestellungen für neue Schiffe, auch im Containersegment. Zugleich sehen wir zurzeit viele Verschrottungen älter Schiffe. Wenn die Reedereien ältere durch neuere Schiffe ersetzen, macht das technologisch und wirtschaftlich Sinn.“

Gute Perspektiven sieht Madsen auch für das künftige Geschäft mit der Offshore-Windkraft: „Die Nord- und Ostseeregion zwischen Deutschland, Großbritannien und Skandinavien ist das weltweite Kompetenzzentrum für die Weiterentwicklung und Nutzung der Windkraft auf dem Meer“, sagte er. „Die Kosten für Offshore-Windparks müssen sicher noch deutlich sinken. Aber es gibt eben auch sehr viel Potenzial dafür, bei den Windturbinen, den Umspannwerken und Seekabeln.“

Umweltschonende Technologien – sei es in der Schifffahrt oder in der Energiewirtschaft – sollen das Kerngeschäft von DNV GL sein, sagte Madsen. Das gelte etwa auch für die Einführung von verflüssigtem Erdgas (LNG) als Schiffsbrennstoff. LNG setzt bei der Verbrennung weit weniger Schadstoffe frei als das heutzutage gängige Schweröl. „LNG wird sich in den kommenden Jahren zumindest in der küstennahen Fahrt durchsetzen, auch auf großen Containerschiffen“, sagte Madsen.