Neue Studie: Schüler haben bis zu drei Jahre Lernrückstand gegenüber Gymnasiasten

Hamburg Abiturienten auf Hamburger Stadtteilschulen weisen im Vergleich zu denen auf Gymnasien zum Teil extreme Lernrückstände auf. So haben Absolventen der Stadtteilschulen in Englisch und Mathematik einen Rückstand von etwa drei Jahren und in Naturwissenschaften von rund zwei Jahren. Das geht aus der jüngsten KESS-Studie („Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern“) hervor, die Schulsenator Ties Rabe (SPD) vorgestellt hat.

Grund für die großen Unterschiede seien jedoch nicht die Oberstufen. Dort würden gerade Schüler aus ungünstigen Sozialmilieus die höchsten Lernzuwächse erzielen. Vielmehr resultierten die Rückstände aus der Arbeit in den Mittelstufen. „Es gibt ein massives Problem bei der Förderung in der Mittelstufe“, sagte Ulrich Vieluf, Leiter der KESS-Studie. Es liege also nicht an der Leistungsfähigkeit der Schüler, sondern am System. Die Schüler seien in den Klassen 5 bis 10 nicht ausreichend auf die Oberstufe vorbereitet worden. Dieser Rückstand sei dort nicht mehr aufzuholen.

Rabe machte deutlich, dass aus seiner Sicht die Stadtteilschule nicht infrage steht. Die Versäumnisse in der Mittelstufe stammten aus einer Zeit, „in der es noch keine Stadtteilschulen gab“. Gemeint sind die Jahre 2003 bis 2009, in denen die Mittelstufen sich auf Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen erstreckten. In der Zwischenzeit habe es „erhebliche Verbesserungen“ gegeben: neben der Einführung der Stadtteilschule etwa kleinere Klassen, mehr Personal und mehr Ganztagsschulen. Zudem würden mittlerweile mehr Jahrgänge überprüft als in den KESS-Studien. Das ermögliche eine genauere und frühere Erfassung des Lernstandes. Von diesen Verbesserungen hätten die jetzt getesteten Abiturienten nicht mehr profitieren können, so Rabe. „Ich bin mir aber sicher, dass unter den heutigen Rahmenbedingungen die Leistungen steigen werden.“

Die Studie habe aber auch gezeigt, dass die Zahl der Abiturienten von 2005 bis 2007 um 67 Prozent gestiegen ist. Der Zuwachs betreffe vor allem Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern. „Es ist gut, dass mehr Schüler einen höheren Bildungsabschluss schaffen. Das darf jedoch nicht auf Kosten der Leistung gehen“, sagte Rabe. „Ich bin zuversichtlich, dass die jetzt eingeleiteten Reformen zu besseren Ergebnissen führen werden.“

Rabe sagte weiter, man müsse aufpassen, dass das Abitur in Hamburg wegen der verpassten Chancen in der Mittelstufe nicht in seiner „Wertigkeit“ leide. „Es wäre verheerend, wenn es hieße, in Hamburg bekommt man das Abitur umsonst“, sagte Rabe. Er erneuerte seinen Appell, an Stadtteilschulen nicht nur die leistungsschwachen Schüler, sondern auch die leistungsstarken zu fördern.

Die Zuversicht Rabes hinsichtlich der Reformen wird nicht überall geteilt. Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagte, der „Niveauverlust in den Kernfächern beim Abitur ist alarmierend“, wenngleich der Anstieg der Abiturientenzahl grundsätzlich positiv sei. Sie kritisierte, dass aus ihrer Sicht zu wenig für die leistungsstarken Kinder an Stadtteilschulen getan werde. „Wenn Senator Rabe nicht endlich handelt, fährt er die Stadtteilschule gegen die Wand.“