Bürgermeister appelliert an die Hamburger. Zugleich räumt der SPD-Politiker ein: „Gebäude und Flächen sind schwer zu finden“. Eine Prognose über die weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen will Scholz derzeit nicht abgeben.

Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz schaltet sich in die Diskussion um den wachsenden Strom von Flüchtlingen und die Schwierigkeiten bei ihrer Unterbringung ein. Das Problem hat aus seiner Sicht zwei Seiten: Einerseits müssten die Asylverfahren beschleunigt werden. „Ich fordere den Bundesinnenminister auf, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge jetzt schnell personell besser auszustatten, um die Verfahren deutlich zu beschleunigen“, sagte der SPD-Politiker. Andererseits erwartet Scholz von den Hamburgern Verständnis für die Notwendigkeit, Flüchtlinge in der Stadt unterzubringen. „Ich wünsche mir, dass alle gemeinsam verstehen, dass das ein schwieriges Problem ist. Dass Flüchtlinge zu uns kommen, hat damit zu tun, dass es nicht überall auf der Welt so gut zugeht wie bei uns. Unzählige müssen um Leib und Leben fürchten und brauchen Schutz“, so Scholz. „Ich bin aber überzeugt, dass wir das in Hamburg gemeinsam hinkriegen werden.“

Es gebe in der Stadt allerdings eine sehr geringe Leerstandsquote und einen Wohnungsmangel. „Das heißt: Gebäude und Flächen für Unterkünfte sind in Hamburg schwer zu finden. Aber wir geben uns alle Mühe, das hinzubekommen. Und wir werden am Ende Lösungen finden. Wir wollen dabei vermeiden, dass sich die Unterbringung in wenigen Stadtteilen konzentriert.“ Die Einrichtung von Flüchtlingsschiffen lehnte Scholz ab. „Das ist im Moment kein Thema. Auch für Schiffe bräuchte man ja geeignete Standorte oder besser gesagt: Liegeplätze.“

Er glaube nicht, dass es in Hamburg wegen der Unterbringung von Flüchtlingen zu Ausschreitungen wie in Berlin kommen werde, sagte Scholz. „Viele Kirchengemeinden, aber auch viele Hamburgerinnen und Hamburger privat sind ja sehr engagiert“, so der Bürgermeister. „Und dass vieles auch ehrenamtlich für die Flüchtlinge unternommen wird, hilft ungemein. Der Staat wäre überfordert, wenn er auf sich allein gestellt wäre.“

Kritik an einer auch angesichts der deutschen Geschichte womöglich zu harten Haltung gegenüber Flüchtlingen wies Scholz zurück. „In Deutschland finden 23 Prozent aller Flüchtlinge Zuflucht, die nach Europa kommen. Das sind mehr als in Spanien oder Italien“, sagte der Bürgermeister. „Auch die Zahl der Flüchtlinge pro 1000 Einwohner ist in Deutschland höher als in vielen anderen Ländern. Der Vorwurf, Deutschland würde sich da vor seiner Verantwortung drücken, der gelegentlich erhoben wird, ist durch Fakten nicht untermauert. Im Gegenteil.“

Eine Prognose über die weitere Entwicklung der Flüchtlingszahlen will Scholz derzeit nicht abgeben. „Wer allein die Nachrichten aus Syrien sieht, der weiß, dass das nicht folgenlos bleibt. Man kann aber nicht seriös vorhersagen, was in den nächsten Jahren geschieht – in Syrien und anderen Ländern, aus denen Flüchtlinge kommen.“

Scholz bekräftigte seine harte Haltung gegenüber den über Italien eingereisten nordafrikanischen Flüchtlingen. „Wer einen Asylantrag stellen will, kann das tun“, so der Bürgermeister. „Aber dafür müssen die Männer sagen, wer sie sind und ihr Fluchtschicksal schildern.“ Er hoffe, „dass niemand die falsche Hoffnung weckt, dass diese Männer einfach bei uns bleiben können. Wenn stimmt, was die aus Italien eingereiste Gruppe über sich in den Medien verbreitet, haben die Männer nämlich bei uns keine Perspektive.“ Er wage allerdings keine Prognose, wie lange die Männer noch in Hamburg blieben – und ob sie womöglich sogar zu Weihnachten noch hier seien. „Das kann niemand sagen“, so Scholz.

Der Bürgermeister verteidigte in dem Gespräch mit dem Abendblatt auch das in der vergangenen Woche verkündete definitive Ende des Projekts Großflughafen Kaltenkirchen. „Unsere Entscheidung war absolut richtig. Kaltenkirchen hätte zwei Landebahnen gehabt. Die haben wir in Hamburg auch. Kaltenkirchen hätte maximal 15 Millionen Passagiere gehabt. Wir haben allein 13,7 Millionen“, so Scholz. „Unser Flughafen ist planrechtlich gesichert, und man muss in ihn nicht Milliarden investieren in der Hoffnung, diese Investition wieder zurückzuverdienen.“ Hamburg sei der wirtschaftlichste Flughafen Deutschlands. „Wir können alle erwarteten Verkehre bewältigen.“

Auch der Fluglärm durch den Innenstadt-Flughafen ist dabei für Scholz offenbar kein Argument, sich die Option einer Verlagerung nach Kaltenkirchen offenzuhalten. „Die Flugzeuge werden immer leiser. Das heißt: Wir können mehr Passagiere in die Luft bringen, werden aber weniger Lärm haben“, so Scholz. „Außerdem will ich die gut 8000 Arbeitsplätze bei Lufthansa Technik nicht verlieren. Im Übrigen glaube ich: Eine Ursache der Hamburger Wirtschaftskraft ist, dass der Hafen, Messe, Bahnhof und Flughafen mitten in der Stadt sind. Das ist die Grundlage unseres Erfolges. Die technologische Entwicklung ist bei all dem auf unserer Seite, denn zukünftig werden wir mehr Verkehr mit weniger Lärm und Emissionen bewältigen können.“

Zu den Zielen der Hamburger SPD bei der Bundestagswahl in vier Wochen, sagte Scholz: „Wir wollen alle sechs Wahlkreise direkt gewinnen.“ Eine Zielmarke für den Anteil der SPD an den Zweitstimmen will der Bürgermeister jedoch nicht nennen. „Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger entscheiden“, so Scholz in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. „Und wir werden das Ergebnis in gute Politik umsetzen.“