Eine Glosse von Alexander Schuller
Der Kampf um die Parklücke gehört zweifelsfrei zu den emotionalsten Momenten im Stadtverkehr. Vor allem dann, wenn der Unterlegene ein Koloss ist, zwei Meter groß und 130 Kilogramm schwer, mit rasiertem Schädel, einer verspiegelten Surferbrille auf der (mehrfach gebrochenen) Nase, einem gewaltigen Brustkorb und noch gewaltigeren Oberarmen.
Die Seitenscheibe seines monströsen Geländewagens gleitet hinunter, und er brüllt ein sehr, wirklich sehr schmutziges Wort in Richtung der zierlichen, blonden Mini-Cabrio-Fahrerin. Daraufhin steigt ihr Ehemann, vom Typ her etwas schmächtig, fest entschlossen aus. Schon stehen sich beide Männer gegenüber. Aus jeder ihrer Poren verdampft Testosteron in die Erdatmosphäre. Mit jeder ihrer Gesten signalisieren sie ihrem Gegenüber: „Diese Straße ist zu klein für uns beide. Einer von uns muss gehen ...!“ Passanten bleiben stehen, denn das Ganze verspricht, kurz und schmerzvoll zu werden. Bis die wahre Geschädigte zwischen die Platzhirsche tritt, den Koloss freundlich anlächelt und sagt: „He, Jungs! Das Leben und dieser Tag sind doch viel zu kurz und zu schön, um sich zu hauen.“
Ausnahmsweise mal keine Pointe, sondern bloß die Wahrheit an dieser Stelle: Einer formvollendeten Entschuldigung folgen Shakehands, nur zehn Minuten später stehen die einstigen Kontrahenten an der Bar eines bekannten Szenelokals. Dabei ist jetzt auch die Ehegattin des Monstrums, die schon ziemlich ungeduldig auf ihren Mann gewartet hatte. Blöde Baustellen! Es sieht so aus, als würden beide Paare gerade beschließen, den nächsten Urlaub gemeinsam zu verbringen.