Um Naturschützer zu befrieden, entstehen am Deich Ausgleichsflächen. Dort soll die Jagd untersagt werden. Die Betroffenen ziehen vor Gericht. Es ist ein zähes und langwieriges Großprojekt.

Hetlingen. Dunkle Wolken hängen über dem Elbdeich am Giesensand bei Hetlingen nahe Wedel. Düster klingen auch die Ausführungen der fünf Männer, die noch vor dem drohenden Regen auf den Deich gegangen sind und die von dort über das Vorland hin zur Elbe blicken. „Sinnvolle Jagd wird hier quasi unmöglich gemacht, wenn die Elbvertiefung mit ihren Begleitmaßnahmen so umgesetzt wird, wie es jetzt geplant ist“, sagt Hans-Albrecht Hewicker, der Kreisjägerschaftsvorsitzende für Pinneberg.

Klaus-Hinnerk Baasch, Vorsitzender des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein, pflichtet ihm bei: „Die Jagd ist in Deutschland ein anerkannter Teil des Naturschutzes, der auch mit viel ehrenamtlichem Engagement betrieben wird. Wenn die Pläne zur Elbvertiefung umgesetzt werden, können wir dieser Aufgabe hier nicht mehr nachkommen. Das wollen wir nicht hinnehmen. Uns geht es ums Prinzip.“

Es ist ein zähes und langwieriges Großprojekt. Seit Beginn des zurückliegenden Jahrzehnts wird eine weitere Vertiefung der Elbfahrrinne diskutiert und geplant, zudem auch eine Verbreiterung zwischen Wedel und Hamburg. Die Hansestadt braucht die Erweiterung, damit Hamburg den Anschluss an die internationale Schifffahrt angesichts wachsender Schiffsgrößen nicht verliert. So sehen es SPD, CDU und FDP in der Hamburgischen Bürgerschaft, die Hamburger Hafenwirtschaft und die Planungsbehörden des Bundes und des Landes Hamburg. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aber stoppte im Oktober 2012 den Vollzug der Planfeststellung. Das höchste deutsche Verwaltungsgericht hatte den Klagen der Naturschutzverbände BUND und Nabu entsprochen und überprüft die mehr als 2600 Seiten umfassende Planung nun in einem Hauptverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit. Voraussichtlich im vierten Quartal sollen die Streitparteien öffentlich angehört werden.

Aber nicht nur die Umweltverbände hatten geklagt, die eine weitere Vertiefung der Elbfahrrinne für ökologisch unvertretbar halten. Auch der Deutsche Jagdverband in Berlin macht juristisch Front gegen das Projekt, gemeinsam mit den Landesjagdverbänden in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen. Sie beklagen die Planfeststellung, obwohl sie gegen die vorgesehenen Eingriffe am Fluss gar nichts einzuwenden haben. „Die eigentliche Elbvertiefung betrifft uns nicht“, sagt Baasch. „Aber der BUND will hier und am Allwördener Außendeich am niedersächsischen Elbufer Ausgleichsflächen schaffen, auf denen die Jagd weitgehend eingestellt werden soll.“

Vier Punkte listet das Planfeststellungsverfahren auf, die den Widerstand der Jäger provozieren. Vögel sollen auf den vorgesehenen Ausgleichsflächen gar nicht mehr bejagt werden. Vom 1. Oktober bis zum 31. März eines Jahres soll auch für alle anderen Arten eine generelle Jagdruhe herrschen. Treibjagden werden verboten, und Hochsitze sollen nicht mehr erlaubt sein. „Ohne Hochsitze kann, aus Sicherheitsgründen, auf diesen Flächen nicht mehr gejagt werden. Denn dann müssten die Jäger horizontal schießen, und das ist hier zu gefährlich“, sagt Hewicker.

Die Jäger sind zum Durchhalten fest entschlossen. Die Elbvertiefung wäre nicht gefährdet, wenn sie sich vor Gericht mit ihren Argumenten durchsetzten. Die Umsetzung des Projektes aber würde noch komplizierter. „Aus Sicht der öffentlichen Hand erscheint es erst einmal kostengünstiger, die Jagd in einem Gebiet einzuschränken, anstatt Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle durch bauliche Veränderungen zu schaffen“, sagt Friedrich von Massow, Justiziar des Deutschen Jagdverbandes in Berlin. „Aber die ökologischen Folgeschäden aus mangelnder Bejagung werden dabei nicht berücksichtigt.“ Aus seiner Sicht ließe sich bei den Auflagen für die vorgesehenen Ausgleichsflächen – es sind Flächen des Bundes – das Planverfahren am ehesten nachbessern, anders als etwa bei den geplanten Baumaßnahmen: „Nachbesserungen am Planverfahren wären in jedem Fall mit erheblichem Aufwand verbunden. Aber bei den vorgesehenen Jagdbeschränkungen ist eine Änderung leichter durchzuführen als bei anderen Bestandteilen des Projekts.“

Die Jäger monieren, dass das ökologische Gleichgewicht und damit der Gesamtzustand des Reviers mit einer Einschränkung der Jagd nicht besser, sondern schlechter werde. „Der Druck auf Vögel, die am Boden brüten, wird wesentlich größer, wenn Beutegreifer wie Füchse oder Marderhunde nicht mehr wie bisher bejagt werden“, sagt Hans-Jürgen Langbehn, Schatzmeister des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein. „Jeder Eingriff, den wir als Menschen vornehmen, hat Folgen für die Natur. Aber eine Verbesserung des heute bestehenden ökologischen Gleichgewichts hier vor Ort durch Einschränkung der Jagd können wir beim besten Willen nicht erkennen.“

Das gelte auch für das vorgesehene Jagdverbot auf Wildgänse: „Die Populationen der Zugvögel, die etwa aus Russland hier auf dem Weg nach Süden durchziehen, werden immer größer, weil sie in den auftauenden Permafrostgebieten Sibiriens weniger bejagt werden als früher“, sagt Baasch. „Wenn auch hier die Jagd eingeschränkt wird, werden sich immer mehr Gänse auf den Feldern der hiesigen Landwirte ernähren“, ist er überzeugt.

Die zuständigen Planungsbehörden für die Elbvertiefung haben die Argumente der Jagdverbände zurückgewiesen. „Die Kläger verkennen, dass die angeordneten Maßnahmen die Jagdausübung nur einschränken, aber nicht verhindern“, heißt es speziell zur Jagd auf „Haarwild“, wie etwa Füchse, Marderhunde, aber auch auf Rehe oder Wildschweine. Zum Jagdverbot für Vögel schreiben die Planer: „Die angeordneten Jagdbeschränkungen haben deutlich positive Wirkungen auf typische Gast- und Brutvögel. Sie sind eine wichtige Ergänzung der landschafts- und vegetationsbezogenen Aufwertung der Habitate.“

Letztlich, so sieht es Landesjagdpräsident Baasch, gehe es bei der Klage auch um einen grundsätzlichen Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern der Jagd. Der Streit trägt insofern skurrile Züge: Jäger und politisch organisierte Naturschützer wie der Nabu und der BUND treten in Leipzig gemeinsam gegen die Elbvertiefung auf, obwohl beide Millieus zumeist Gegner bei der Auslegung eines echten und rechten Naturschutzes sind. „Allein mit Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz könnte man die Jagd in Deutschland komplett zum Erliegen bringen“, sagt Baasch. „Wir haben unsere Argumente sehr ausführlich vorgetragen. Keines wurde von den Planungsbehörden aufgenommen.“ Deshalb müsse nun das Gericht entscheiden.