Die Einschulung ist heute ein kleines Fest. Früher, bei den Eltern und Großeltern, ging es weniger aufwendig zu. Aber eins ist geblieben: die Aufregung. Denn dieser Tag verändert das Leben. Auch bei Lilly aus Iserbrook

Die rot-schwarzen Ballerinas passen perfekt, das gestreifte Kleidchen ebenfalls. Alles ist erstklassig vorbereitet. Bei der Frisur muss Mutter Katja Hand anlegen: Zöpfe flechten und hochbinden. Den Haarreif bringt Lilly selbst in Position. Dann wird gefrühstückt – soweit es geht. Denn mehr als ein Stückchen Topfkuchen und einen Schluck Kakao kriegt die Sechsjährige an diesem ganz besonderen Morgen nicht herunter. Zu groß sind Vorfreude und Aufregung an dem Tag, auf den sie so lange hingefiebert hat: endlich Schulkind, endlich richtig groß sein.

Der Schulranzen ist seit Tagen gepackt. Ein Heft, ein paar Stifte, mehr braucht man nicht zum Start. Viel wichtiger als der Inhalt ist das Äußere. Lilly Sabbah darf ein richtiges Prunkstück tragen: ein Traum in Pink, verziert mit der Prinzessin Lillifee (Nomen est omen!) und mit bezaubernden Blümchen. Absoluter Hit und Hingucker: Auf der Rückseite des Tornisters ist ein Klarsichtfach angebracht, in dem ein kuscheliges, weißes Einhorn wohnt. Mehr geht nicht.

Oder doch? Denn da ist ja noch das Objekt wochenlanger Neugier und Geheimniskrämerei: die Schultüte, Produkt kreativer Handarbeit. „Eulilly“ steht groß darauf, eine Kombination aus dem Vornamen und Lillys Lieblingstier. Die aufgeklebten Eulen sind kleine, individuelle Kunstwerke, erschaffen von Nicola, einer Grafikerin und Freundin der Mutter.

Lilly kennt die Spielregeln: Die Tüte darf erst nach Einschulung und Kindergottesdienst geöffnet werden. Katja Sabbah hat zwei weitere Miniatur-Schultüten gebastelt, als kleine Geschenke für die neuen Klassenlehrerinnen.

Los geht’s; jede Minute zählt. Wie gut, dass die Transportfrage für Ranzen, Schultüte und Kind geklärt ist. Der fünfköpfige Begleittross besteht aus Mutter Katja, Vater Hassan, dem acht Jahre älteren Bruder Tarik sowie den Nachbarn Karin und Jürgen Wahlen, als eine Art Adoptiv-Großeltern quasi Teil der Familie.

Nur Bruder Cedric muss passen: Er ist mit seiner 7. Klasse an der Schlei, hat seiner kleinen Schwester jedoch eine Eule gemalt und einen Brief geschrieben. Lilly genießt es, heute Hauptperson zu sein.

Der Fußweg zur Grundschule Schenefelder Landstraße in Iserbrook dauert zehn Minuten. Später will Lilly mit dem Fahrrad kommen.

Die „Schela“ feierte am 13. Juni ihren 50. Geburtstag, ist klasse renoviert und liebevoll geschmückt für den Einschulungstag. Überall hängen Grüße, Blumen und kleine Glücksbringer. Die Lehrerinnen und fast 200 Kinder freuen sich auf die neuen Mitschüler. Doch vor dem mit Spannung herbeigesehnten Premierenbesuch im künftigen Klassenraum steht der offizielle Teil auf dem Programm. Erst kurz vor neun Uhr ist es, doch Lilly erscheint die Wartezeit viel zu lang. Als aufrechte Hanseatin wahrt sie Haltung, trippelt aber nervös mit den Beinchen.

In der Aula dürfen die Neulinge ganz vorn Platz nehmen. Gut, dass Lillys allerbeste Freundinnen Sofia und Sophia in der Nähe sind. Einige kennen sich schon aus dem Kindergarten Pfiffikus und aus der Vorschulzeit bei „Schela“. Heimspiel für Lilly.

Ebenso temperamentvoll wie einfühlsam rückt Schulleiterin Bianca Henniger Anspannung und Nervosität zu Leibe. Man solle nicht nur lernen, sondern Spaß haben, spielen und Streiche machen. Die 2a präsentiert ein entzückendes Theaterstück mit der Raupe Nimmersatt. Lachen erfüllt die Aula. Einzeln werden die Schüler auf die Bühne gerufen. Dort erhält auch Lilly ein Namensschild in Herzform und eine frische Sonnenblume. Die Kleinen stehen oben. Auf einmal sind sie groß.

Der Abmarsch in die Klassenräume ist ein Schauspiel für sich. Er führt über den Schulhof. Die größeren Kinder stehen Spalier, klatschen und stimmen ein Lied an: „Hänschen klein, ging allein...“ Das passt. Die Eltern trösten sich am Büfett mit Kaffee, Brause und selbst gebackenem Kuchen. Im nächsten Jahr sind sie damit dran.

Entschlossen stapft Lilly die Treppe hoch. Ihr neuer Platz ist vorne links, zwischen Gernot und Tim. Die Klassenlehrerinnen Elisabeth Rehbach und Steffi Habersaat haben alles vorbereitet. Erst jedoch bitten sie in einen Stuhlkreis, dann folgt Aufgabe Nummer eins: Aus Buchstaben müssen die 23 Kinder ihre Namen zusammenlegen. Anschließend will die Lernpuppe Lola wissen, was man in der Schule so alles macht. Zum Ausklang der ersten und letzten Stunde an diesem Starttag singt die 1a unisono: „Hurra, ich bin ein Schulkind und nicht mehr klein.“ Stimmt!

An der Seite ihrer Mutter führt Lillys weiterer Weg an diesem ganz besonderen Tage zur Martin-Luther-Kirche ein paar Schritte weiter. Kindgerecht, humorvoll und lebhaft macht Pastorin Susanne Peters der jungen Gemeinde klar, was wichtig ist im Schulleben – und auch sonst so. „Alle Kinder lernen Lesen“, singen sie. Auch Lilly bekommt einen Anhänger für den Schulranzen mit drei Symbolen für Glaube, Liebe, Hoffnung.

Der Rest des Tages vergeht wie im Sauseschritt: Heimweg, Schultüte auspacken, Mittagessen mit Gemüsepfanne und Obst, Trampolinhüpfen im Garten, Kakaorunde mit Familie und Freunden – einfach nur Fröhlichsein. Zwischendurch muss Mutter Katja zu ihrem Job. Die gelernte Köchin arbeitet in der Kantine der Grundschule „Schela“. Es gibt also doppelten Grund für Lilly, sich auf weitere erstklassige Tage zu freuen.

Der Anfang verdient die Note sehr gut.