Schon an sechs Tagen in diesem Jahr wurden Passagiere in Hamburg auf eine Geduldsprobe gestellt. Check-in-Beschäftigte legten Arbeit nieder.

Hamburg. Schon wieder mussten Passagiere am Hamburger Flughafen wegen eines Tarifstreits in langen Schlangen auf ihren Flug warten: Am Freitagmorgen zwischen 4 Uhr und 8 Uhr waren Mitarbeiter des Abfertigungsunternehmens AHS in einen Warnstreik getreten. „Von 38 Abflügen in der Zeit vom Beginn des Flugbetriebs um 6 Uhr bis 8.30 Uhr waren 15 verspätet“, sagte Flughafensprecherin Katja Bromm. Nach Angaben der AHS kam es zu Abflugverzögerungen von bis zu 100 Minuten.

„Dies war schon der sechste Streiktag am Hamburger Flughafen in diesem Jahr“, so Bromm. Im April hatten Bodenmitarbeiter der Lufthansa den Betrieb lahmgelegt, im Januar und Februar hatten an vier Tagen die Beschäftigten in der Gepäck- und Personenkontrolle die Arbeit niedergelegt.

Die rund 300 Mitarbeiter der AHS in Hamburg sind unter anderem für den Check-in und die Koordination der Abfertigung auf dem Vorfeld verantwortlich. Das Unternehmen hat in der Hansestadt nach eigenen Angaben in der Hansestadt einen Marktanteil von etwa 60 Prozent. Zu den Kunden gehören Air Berlin, Germanwings, Air France, Emirates, EasyJet, Condor und TUIfly.

"Viele Kolleginnen müssen am Monatsende mit Hartz IV aufstocken"

In den aktuellen Tarifverhandlungen fordert die Gewerkschaft Ver.di eine Anhebung sämtlicher Stundenlöhne um pauschal 1,50 Euro. Die große Mehrzahl der Beschäftigten liege auch nach mehrjähriger Tätigkeit mit einem Stundenlohn von 9,23 Euro unterhalb der Niedriglohngrenze, heißt es von Ver.di. Zudem hätten mehr als 80 Prozent des Personals Teilzeitverträge und arbeiteten im Schnitt nur 80 bis 120 Stunden im Monat, ein Nebenjob sei wegen der geforderten Flexibilität aber für die wenigsten möglich. „Ich habe viele Kolleginnen, die am Monatsende mit Hartz IV aufstocken müssen“, erklärte AHS-Mitarbeiterin Aynur Dogan, Mitglied der Ver.di-Tarifkommission.

Das Unternehmen stellt der Gewerkschaft zufolge für den Fall einer positiven Geschäftsentwicklung im Jahr 2014 eine Gewinnbeteiligung in Form einer Einmalzahlung in Aussicht. Dieses Angebot bedeute für die Beschäftigten einen Reallohnverlust und sei inakzeptabel. Der Arbeitgeber sei aufgefordert, für die Verhandlung am 7. August ein verhandelbares Angebot vorzulegen.

Doch AHS macht den Mitarbeitern wenig Hoffnung. „Es gibt keinen Spielraum für Gehaltserhöhungen“, teilte das Unternehmen mit. Im Markt für Flugzeugabfertigungen herrsche ein immenser Preisdruck.

„Die Kunden sind entweder Fluggesellschaften, die rigide Sparprogramme aufgelegt haben, oder es sind Airlines, deren Geschäftsmodell schon an sich ein rigides Sparprogramm darstellt“, sagte ein Firmensprecher dazu. „In der gesamten Branche hat niemand etwas zu verteilen.“

AHS mit Hauptsitz in Hamburg ist eigenen Angaben zufolge mit knapp 2000 Beschäftigten Marktführer in Deutschland unter den von Fluggesellschaften unabhängigen Passagierabfertigern. Das Unternehmen ist an 14 Flughäfen für insgesamt mehr als 130 Fluggesellschaften tätig.

Die Anteilseigner sind mehrere deutsche Flughäfen, wobei Hamburg Airport mit einer Beteiligung von 32,25 Prozent den zweitgrößten Gesellschaftsanteil hält. An der AHS-Tochter in Hamburg ist der Fuhlsbüttler Flughafen mit 49 Prozent beteiligt, 51 Prozent liegen bei der Mutterfirma.

Im Arbeitgeberlager sorgte der erneute Streik am norddeutschen Luftdrehkreuz für Empörung. Ein unangekündigter Streik während der Sommerurlaubszeit sei unverhältnismäßig, sagte Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer des Unternehmensverbands UVNord. „Die Gewerkschaft nimmt bewusst eine Imageschädigung des Standorts Hamburg in Kauf“, so Fröhlich. Es gehe nicht darum, das Streikrecht infrage zu stellen. Um aber wenigstens einen Teil der Ausstände zu verhindern, brauche Deutschland dringend wieder ein Gesetz zur Tarifeinheit. Der Flickenteppich unterschiedlicher Tarifverträge innerhalb eines Unternehmens erhöhe das Risiko von Streiks. „Der Hamburger Senat ist gefordert, gemeinsam mit anderen norddeutschen Bundesländern eine Bundesratsinitiative für ein entsprechendes Gesetz einzubringen“, sagte Fröhlich.

Doch es könnte noch in diesem Sommer weitere Streiks am Flughafen geben: Die abschließende Einigung zwischen Ver.di und dem Verband der Sicherheitsfirmen BDSW über einen bundesweiten Manteltarifvertrag war im Juli völlig überraschend geplatzt. Damit seien erneute Arbeitsniederlegungen zu erwarten, hieß es von dem Verband.