Eine Glosse von Jörn Lauterbach

Was waren das noch für Zeiten, als die totgebrutzelte Sommerwurst und das verkohlte Kotelett einfach nur das Ergebnis eines jahreszeitlich geprägten Verhaltens der Essenszubereitung war. „Lass uns doch grillen“ – „Okay“ – „Ich hol schon mal die Holzkohle.“ Fleisch rauf, fertig. Kartoffelsalat. Kleiner Aufstoßer zum Bier. Aber das gibt es heute so nicht mehr.

Erstens wird jetzt gern Wein, und zwar nicht irgendeiner, zum Lammlachs getrunken, zum anderen sind das ursprünglich eher rustikal angelegte Grillen und die Berichterstattung darüber längst zum Objekt der Feuilletons und der Debattenseiten großer Nachrichtenmagazine geworden. Zum Beispiel die „Zeit“: Die Hauspostille des Bildungsbürgertums gab kürzlich gar eine komplette Seite aus. Und ganze saisonale Zeitschriften beziehen inzwischen ihren Daseinsgrund allein aus der Tatsache, dass Wärme nach oben steigt und das Grillgut darauf mit Krustenbildung reagiert.

Im Freundeskreis ist die Organisation eines Grillabends mittlerweile so aufwendig wie eine Marsmission, nur mit mehr Schwerkraft nach dem Verzehr von drei Biowürstchen. Wobei: Durch die steigende Zahl der Vegetarier und Veganer setzen sich mittlerweile viele Zeitgenossen rund um die Glut, die eigentlich gar keine Speisen darauf zubereitet haben wollen, sondern einfach nur die Lagefeuerromantik als Sommerevent genießen. Für den Überzeugungsgriller von einst macht das die Sache nicht einfacher. Die Gesellschaft ist eben darauf angelegt, alles, was eigentlich einfach ist und gerade deswegen Spaß macht, zu verkomplizieren, aufzufächern und zu pseudo-professionalisieren.

Aber jetzt das: Die Stadt Norderstedt hatte für den Stadtpark und für das vergangene Wochenende ein Grillverbot verhängt, weil die Wiesen so ausgedörrt seien. Das ist so mega-provinziell! Man kann doch einen Megatrend nicht nach Lust und Laune mit irgendwelchen nur halb gegarten Vorschriften ausbremsen! In den überhitzten Redaktionen werden schon die Leitartikel gegen die Entscheidungsträger verfasst. Titel: „Was für ein mariniertes Verhalten!“