Platz für bis zu 30.000 neue Bewohner an Zukunftsachse zwischen Hauptbahnhof und Wilhelmsburg. In zehn Jahren soll das Projekt fertig sein.

Hammerbrook. Im Bezirk Hamburg Mitte hat das größte Wohnungsbauvorhaben der Stadt begonnen. „Die Nachfrage nach Wohnraum hat an Dynamik deutlich zugenommen“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote. „Plötzlich sind auch Grundstücke interessant, die vorher keiner haben wollte.“ Das sei eine Chance, die einst dicht besiedelten, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Quartiere im Südosten der Stadt wieder herzustellen und zu einem attraktiven, urbanen und bezahlbaren Lebensraum zu machen. Dabei sollten keine Hochhaussiedlungen entstehen, so Grote, sondern Quartiere mit eigenen Identitäten. Die verschiedenen Projekte hat man jetzt unter dem Begriff „Zukunftsachse Hamburg-Südost“ zusammengefasst.

Insgesamt entstehen in den kommenden zehn Jahren in Hammerbrook, der HafenCity, in Rothenburgsort, auf der Veddel und in Wilhelmsburg etwa 11.000 Wohnungen. Nach dem Krieg siedelte sich hier größtenteils Gewerbe an. „Jetzt entsteht hier ein neuer Typus von Stadt“, sagt Grote. Neben dem Wohnen wolle man Schwerpunkte in Sachen Kultur, Integration und Freizeit setzen. Das auf zehn Jahr angelegte Projekt werde Hamburg als Gesamtstadt im Gefüge verändern. „Wir verschieben das Koordinatenkreuz der Stadt und rücken Stadtteile ins Blickfeld, durch die man bislang nur durchgefahren ist“, sagt Grote. Schon das Entree im Süden Hamburgs wird eine neue Anmutung bekommen. Die HafenCity rückt mit dem Wohnquartier Baakenhafen bis an die Elbbrücken vor, und auch auf der anderen Seite, in Rothenburgsort und auf der Veddel, werden die neuen Wohnquartiere sichtbar sein.

Um 20.000 bis 30.000 neue Bewohner soll Hamburgs Südosten anwachsen. In Hammerbrook wird die Veränderung am größten sein: Hier sollen etwa 2000 zusätzliche Wohnungen entstehen. „Hammerbrook wird wieder ein urbaner und lebenswerter Stadtteil“, verspricht Grote. Mit dem Zuzug der vielen neuen unterschiedlichen Bewohner werde auch die Infrastruktur angeschoben: Es entständen Kitas, Supermärkten, Arztpraxen und eventuell eine neue Buslinie. Rund 600 Wohnungen gibt es bereits im Stadtteil, 500 allein im Münzviertel. Das kleine Quartier hinter dem Hauptbahnhof soll mit 500 Wohnungen nachverdichtet werden – dafür stehen etliche Brachflächen und das Grundstück der Gehörlosenschule zur Verfügung.

Am weitreichendsten sind die anstehenden Veränderungen allerdings im Gebiet zwischen Großmarkt und Heidenkampsweg. Momentan ist das – eigentlich idyllisch von mehreren Kanälen durchzogene Areal – geprägt von Bürohäusern, Gewerbebetrieben und Brachflächen, die als Parkplatz genutzt werden. Etwa 300 Menschen leben hier, in den nächsten Jahren sollen 3000 dazu kommen.

„Wir wollen dem besonderen Standort gerecht werden und das Leben am Wasser forcieren“, sagt Grote. Mit dem Bau erster Wohnungen am Sonninkanal wird demnächst begonnen. Weitere Projekte am Wasser stehen in den Startlöchern – etwa auf dem Sharp-Grundstück. Hier wird der Elektronik-Konzern zwar weiterhin seinen Firmensitz haben, seine Logistikflächen aber verlagern und das Verwaltungsgebäude im hinteren Grundstücksteil wird neu gebaut; das frei werdende Areal zum Mittelkanal hin soll mit mehr als 600 Wohnungen bebaut werden. Auf dem Nachbargrundstück, attraktiv am Sonninkanal gelegen, sind etwa 300 Appartments geplant.

Auch das Leben auf dem Wasser soll gefördert werden: 19 Liegeplätze für Hausboote sind an Mittelkanal und Hochwasser-Bassin vorgesehen – die ersten sieben Boote werden 2014 bezogen. „Um den Freizeitwert zu erhöhen, sind auch Sportanlagen und Spielplätze vorgesehen“, sagt Grote. Außerdem soll der Alster-Elbe-Grünzug perspektivisch eine Verbindung von der Außenalster über den Lohmühlenpark in St. Georg bis zum Elbpark Entenwerder in Rothenburgsort bilden. Um eine möglichst lebendige Mischung in Hammerbrook zu erhalten, sollen auch Kulturschaffende angelockt werden. Verschiedenen Künstlergruppen könnten etwa in historische Backsteinbauten an der Süderstraße ziehen. Und die S-Bahntrasse, die sich durch den Stadtteil windet, könnte selbst zum Kunstprojekt werden, findet Grote. „Man könnte darüber nachdenken, sie entsprechend zu gestalten und sie so zu einem identitätsstiftenden Bestandteil des Viertels zu machen.“

Schon jetzt arbeite sich die Kulturszene von der Innenstadt Richtung Süden vor, sagt der Bezirksamtsleiter. An Großmarkt und Oberhafen sei sie bereits etabliert, auf der Peute werde gerade ein alter Speicher für Kreativnutzung saniert, auf der Veddel gebe es schon mehrere Galerien. In Rothenburgsort soll sich die Kulturachse fortsetzen: Ginge es nach Grote, würde am südlichen Huckepackbahnhof der Opernfundus angesiedelt. Über den Brandshof, wo sich bereits Kreative niedergelassen haben, dehne sich die Szene bis nach Wilhelmsburg aus und setze sich entlang des Veringkanals bis in den Süden der Elbinsel zum Dockville-Gelände fort.

In Wilhelmsburg sind 5000 Wohnungen geplant, allein 3000 auf den Flächen, die nach der Verlegung der Wilhelmsburger Reichstraße frei werden. Während auf der Elbinsel hauptsächlich Wohnraum für Familien entsteht, richten sich die Quartiere der anderen Stadtteilen eher an Singles und Paare. Die Viertel wie Veddel, Rothenburgsort und Wilhelmsburg, so Grote, bekämen durch den Zuzug eine gemischtere Sozialstruktur.