Ganztagsschulen gehört die Zukunft. Und Hamburg geht auf diesem Weg voran

Mit einem solchen Andrang hatten selbst Optimisten kaum gerechnet: Zwei von drei Kindern werden von August an das neue Ganztagsangebot an Hamburgs Grundschulen wahrnehmen. Damit ist das Argument entkräftet, Ganztag stigmatisiere womöglich die Kinder, die mittags noch länger in der Schule bleiben müssen, während die große Masse ihrer Mitschüler in den freien Nachmittag entschwindet und zu Hause betreut wird. Nein, eine deutliche Mehrheit nutzt das Angebot, das kostenlos und freiwillig ist – beides ist gleichermaßen wichtig. Und es trifft ganz offensichtlich, manchen grundsätzlichen Vorbehalten zum Trotz, die Wünsche und Bedürfnisse vieler Familien.

Denn die Resonanz ist viel größer als ursprünglich erwartet: Als die Pläne für die Hortoffensive an den Grundschulen 2009 erstmals vorgestellt wurden, gingen die Verantwortlichen noch von einer Beteiligung von 40 Prozent der Grundschüler aus. Zwischenzeitlich wurden die Erwartungen auf 50 Prozent korrigiert. Eine Rekordbeteiligung von 65 Prozent bereits im ersten Jahr, in dem der Ganztag flächendeckend an praktisch allen Grundschulen angeboten wird, hatte kaum jemand erhofft.

Diese Erfolgsgeschichte, das muss man der Fairness halber sagen, ist eine schwarz-grüne ebenso wie eine rote. Als die damalige grüne Schulsenatorin Christa Goetsch und ihr christdemokratischer Kollege, Sozialsenator Dietrich Wersich, die Pläne präsentierten und von einer „historischen Weichenstellung“ sprachen, erschien dies wie eine Vision. Vier Jahre später sind die meisten Hindernisse überwunden und nun noch einmal 10.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen – dank der Beharrlichkeit von Schulsenator Ties Rabe (SPD).

Es gibt kaum Zweifel: Die Schule der Zukunft wird von 8 bis 16 Uhr geöffnet sein. Die Gesellschaft, moderne Lebensmodelle gerade in der Großstadt und die Anforderungen der Wirtschaft geben diese Entwicklung vor.

Warum Ganztagsschulen gut sind? Zum einen schaffen Ganztagsangebote erst die Voraussetzung, um Familie und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen. Das bringt nicht nur persönliche Befriedigung für Mütter und Väter, sondern erfüllt auch ein Erfordernis, das der wachsende Fachkräftemangel immer drängender macht. Zum anderen dient es denjenigen Kindern, die zu Hause eben keine liebevolle Betreuung inklusive Klavier- und Ballettstunden vorfinden, sondern meist nur einen Fernseher oder Videospiele als Babysitter. Sie mit vielfältigen Kursen von Sport über Musik bis zu Theater- und Astronomiegruppen auch jenseits des Unterrichts bestmöglich zu fördern, schafft ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit.

Hamburg geht auf diesem Weg voran, die Hansestadt liegt mit seinem Ganztagsangebot weit vorn. Sie belegt beim Ausbau hinter den Sachsen den zweiten Platz unter den Bundesländern – und ein großes Stück vor den Nachbarn im Norden, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen.

Bei allem Lob für den Senat und seinen Vorgänger: Bei der Kinderbetreuung zählt keineswegs nur die Quantität, sondern vor allem auch die Qualität. Das gilt für den Krippenausbau, den Hamburg mit Hochdruck vorantreibt, ebenso wie für die Ganztagsschulen. Größere Betreuungsgruppen sind zu Recht kritisiert worden. Eltern beklagen, dass sie die Ferienwochen, in denen ihre Kinder in der Schule versorgt werden, bereits für das ganze Schuljahr im Voraus verbindlich festlegen müssen. Das ist lebensfremd.

Gute Erzieher sind für die Träger schwer zu finden. Und noch fehlen an vielen Schulen die Kantinen, in denen die Kinder mittags versorgt werden können. Diese Probleme gilt es, im Blick zu behalten. Wenn die Zahl der Plätze steigt, darf das – auch mit Blick auf die Finanzmittel – nicht auf Kosten der Qualität gehen. Hier gilt: Es gibt noch Luft nach oben.