Zum 1. August soll es genug Plätze für Kinder unter drei Jahren geben. Doch Probleme bleiben – und beim Betreuungsgeld geht es kaum voran. Antragsformulare seien noch nicht für die Eltern verfügbar.

Hamburg. Es ist das große Aufatmen nach Monaten der Nervosität: Zum 1.August wird es wohl genügend Kita-Plätze geben, um den Rechtsanspruch auf Betreuung für ein- bis dreijährige Kinder zu erfüllen. Die Hamburger Sozialbehörde von Senator Detlef Scheele (SPD) geht nach eigenen Angaben fest davon aus, dass die Nachfrage zum Stichtag in drei Wochen gedeckt werden kann. Gerechnet wird mit rund 21.500 Kindern unter drei Jahren, die dann eine Betreuung benötigen – das entspricht einem Anteil von 43 Prozent. „Wir befinden uns mitten auf der Zielgeraden in Richtung Rechtsanspruch für Kinder ab einem Jahr vom 1.August an. Voraussichtlich werden wir bei der Umsetzung sehr erfolgreich sein“, sagte Scheele. In den kommenden Tagen wolle er mehrere Kitas besuchen, „um auch den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meinen Dank auszusprechen“.

Tatsächlich können sich Hamburger Eltern über diese Entwicklung zunächst freuen. Vor allem, weil der Ausbau in der Hansestadt schneller ging als in anderen Ländern und Kommunen. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, ist die Zahl der betreuten Kleinkinder gegenüber 2012 hier um 10,4 Prozent gestiegen – und damit stärker als im bundesweiten Vergleich, wo die Steigerungsrate nur bei 6,6 Prozent lag. Konkret wurden am 1.März 2013 in Hamburg 17.543 Kinder unter drei Jahren in einer Kita und 2118 in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut, also insgesamt 19.661. Seither seien Hunderte weitere Betreuungsplätze hinzugekommen, wie es aus der Sozialbehörde heißt. In den Kita-Ausbau in Hamburg wurden mehr als 90 Millionen Euro investiert – zwei Drittel der Mittel hat der Bund bereitgestellt, aus Hamburgs Kassen stammen rund 29,9 Millionen Euro.

Nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 22.September dürften die neuen Zahlen auch der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin einige Erleichterung verschaffen. Denn auch für ganz Deutschland sieht es mittlerweile gut aus, nachdem über Monate hinweg eine große Lücke zwischen Betreuungsanspruch und Wirklichkeit klaffte. Es werde „nahezu“ reichen, wie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gestern erleichtert erklärte. Im Kita-Jahr 2013/14 gebe es rund 813.000 Betreuungsplätze und damit mehr als vorgesehen.

Der Rechtsanspruch für einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren wurde 2007 von Bund, Ländern und Kommunen vereinbart. Dabei wurde geschätzt, dass rund 39 Prozent der Eltern ein Betreuungsangebot in Anspruch nehmen wollen. Das entspricht einer Zahl von 780.000 Plätzen in einer Kita oder bei einer Tagesmutter.

So gut die Zahlen auf den ersten Blick aussehen, so viele Probleme bleiben jedoch. Weil das Ausbauziel um jeden Preis erreicht werden sollte, wurden viele Plätze im Hauruck-Verfahren geschaffen. Die Ausbildung eines qualifizierten Erziehers dauert allerdings länger, weshalb es vielerorts nun an Fachkräften fehlt. Welche Folgen das hat, zeigte vergangene Woche eine Studie der Bertelsmann-Stiftung: In keinem anderen westdeutschen Bundesland ist demnach der Betreuungsschlüssel so schlecht wie in Hamburg: Auf einen Erzieher kommen fünf Kinder – empfohlen wird von den Experten der Bertelsmann-Stiftung jedoch das Betreuungsverhältnis 1:3. „An die Qualitätsfrage von der Gruppengröße bis zur Weiterbildung der Fachkräfte müssen wir jetzt ran, das muss das Thema für die nächsten vier bis acht Jahre sein“, forderte Hamburgs CDU-Chef Marcus Weinberg. Vor allem, weil die Herausforderungen Integration und Inklusion so groß seien wie sonst nirgends. Nötig sei ein „Paradigmenwechsel“ in der Kinderbetreuung. „Nach der Epoche des Ausbaus muss die Epoche der Qualität und Exzellenz kommen.“

Zudem bedeutet die ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen nicht, dass es künftig keine Wartelisten in einzelnen Einrichtungen mehr geben wird. Der Wunsch von der Traum-Kita um die Ecke kann für viele Eltern weiter unerfüllt bleiben. Vorgeschrieben ist, dass die Städte und Kommunen ein „bedarfsgerechtes“ Angebot schaffen. Nicht genau definiert ist etwa, welche Anfahrtswege da zumutbar sind.

Kaum vorbereitet ist Hamburg aufs Betreuungsgeld. Ebenfalls ab 1.August können Eltern, die keine öffentliche Betreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen, die monatliche Zahlung zunächst von 100 Euro pro Kind, ab August 2014 von 150 Euro pro Kind beziehen. Schwarz-Gelb hatte die Leistung unter heftigem Protest der Opposition durchgesetzt. Der Hamburger Senat hat beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen das Betreuungsgeld eingereicht

Wie es in der Sozialbehörde hieß, seien die Antragsformulare auf Betreuungsgeld noch nicht für die Eltern verfügbar. Man werde sie aber „in Kürze“ in den Elterngeldstellen auslegen und im Internet anbieten. Nach Abendblatt-Informationen gibt es bislang nur vereinzelte Anfragen von Müttern und Vätern nach der politisch umstrittenen Zahlung. „Ich mahne an, den Eltern die nötigen Informationen und die Formulare so schnell wie möglich zukommen zu lassen“, so Weinberg. „Es ist nicht schön, wenn die Mütter und Väter nachher auf ihr Geld warten müssen.“