Nachdem voriges Jahr linke Randalierer zwei Flora-Aktivisten niederstachen, fordern die Organisatoren eine Zäsur. Zustimmung aus der Politik. Wirklich brisant wird der Fall, wenn man die Hintergründe kennt.

Hamburg. Der Tatbestand, um den sich die Diskussion zum Für und Wider des diesjährigen Schanzenfestes dreht, stellt sich im Polizeibericht zum Ausgang des vergangenen Stadtteilfestes noch relativ nüchtern dar: „Gegen 00:05 Uhr erlitt ein 27-Jähriger vor der sogenannten Alten Flora eine oberflächliche Stichverletzung. Nach eigenen Angaben habe er einen Streit schlichten wollen“, schrieb eine Polizeisprecherin. Und: „Wenig später wurde dort ein 29-Jähriger durch vier Stiche in den Oberkörper verletzt.“

Wirklich brisant wird der Fall, wenn man die Hintergründe kennt: Beide Opfer sind linke Aktivisten, die angegriffen wurden, als sie unter dem Vordach des Kulturzentrums Rote Flora am Schulterblatt ein Feuer löschen wollten, das Unbekannte angezündet hatten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war allen Beteiligten klar, dass sich die alljährlichen Ausschreitungen nach dem beliebten Stadtteilfest nicht mehr steuern ließen, sich sogar gegen die Veranstalter des Festes selbst richteten.

Die Organisatoren des Schanzenfestes wollen in diesem Jahr die Reißleine ziehen: Stimmen die Gerüchte aus der Szene, wird es in diesem Jahr kein Stadtteilfest geben. „Der symbolische Ort Rote Flora ist zur Bühne eines sich an sich selbst berauschenden Krawalls geworden“, zitiert die linke Tageszeitung „taz“ den Rote-Flora-Aktivisten Andreas Blechschmidt. Dieser hatte in einem Artikel für das Freies-Sender-Kombinat-Radiomagazin entsprechende Gerüchte zusammengefasst.

Im „Transmitter“, wie das Magazin heißt, das unter anderem im Schanzenviertel ausliegt, geht Autor Blechschmidt noch viel weiter, als nur die Tätlichkeiten gegen linke Aktivisten als Grund für eine Absage zu benennen: Tatsächlich sei der drohende „Ausfall des Schanzenfestes 2013 das Ergebnis eines seit längeren Jahren bestehenden inhaltlichen Unvermögens“ aller Beteiligten, „einen tragfähigen Konsens darüber zu finden, unter welchen Voraussetzungen“ das Schanzenfest politisch gestaltet werden könne. „Ein besonders offensichtliches Defizit ist die Unfähigkeit, eine öffentliche vermittelte Haltung zu den seit 2003 sich an das Fest anschließenden Auseinandersetzungen mit der Polizei zu formulieren.“

Ein Konflikt zwischen Randalierern und linker Szene hatte sich schon in den Vorjahren angekündigt. Immer wieder und immer öfter hatten sich Anwohner des Schanzenviertels und Altlinke in den vergangenen Jahren mit sogenannten Krawalltouristen und (so der Polizeiausdruck) „erlebnisorientierten Jugendlichen“ angelegt. Mehrfach war es in diesem Zusammenhang zu Auseinandersetzungen gekommen, bei denen die Polizeihundertschaften nur die Zuschauer bildeten. So waren Feuer auf dem Schulterblatt wieder gelöscht, Straßenbarrikaden aus Müll und Bauzäunen wieder aufgelöst worden.

Blechschmidt beklagt einen „eindimensionalen Militanzkurs“, der die Ereignisse rund um die vergangenen Schanzenfeste bestimmt habe: „Eine politische und praktische Konfrontation, die sich allein aus der Auseinandersetzung mit der Polizei definiert, wird zur Bühne eines an sich selbst berauschenden Krawalls. Schlimmer noch“, sie diene nun als Plattform für jeden, der mal richtig loslegen wolle.

Der Autor betonte gegenüber dem Abendblatt, dass er den Artikel nicht in seiner Funktion als einer der Organisatoren des Schanzenfestes verfasst habe. Ein öffentliches Statement der Organisatoren zur Zukunft des Festes sei noch gar nicht erfolgt. Vielmehr sei er von der Transmitter-Redaktion gebeten worden, ein Resümee zur Entwicklung des beliebten Stadtteilfestes zu ziehen. „Ich habe keinen Nachruf auf das Schanzenfest geschrieben“, sagte Blechschmidt. Wichtig sei aber aus seiner Sicht, dass es eine Zäsur gibt.

Um zu verstehen, wohin sich die Ereignisse rund um das Schanzenfest entwickelt hätten, sei eine Aufarbeitung dringend nötig, sagte auch die innenpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Linken, Christiane Schneider. Nach den Ereignissen im Jahr 2012 könne nicht so weitergemacht werden wie bisher.

Eine „richtige und weise“ Entscheidung nannte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karl Heinz Warnholz das mögliche Aus des diesjährigen Schanzenfestes „unter Berücksichtigung der Schäden und der verletzten Polizisten und Anwohner“. Innenexperte Warnholz: „Es ist bedenklich, dass ein Stadtteilfest der Gewalt weichen muss, die von einzelnen Chaoten ausgeht.“