Mit der Wahl Rohanis haben die Bürger den harten Kurs der Machtinhaber abgestraft

Die Verfassung der Islamischen Republik Iran von 1979 nennt als Staatsoberhaupt einen gewissen Muhammad ibn Hasan al-Mahdi. Wer diesen Politiker nicht kennt: Es handelt sich um einen etwa fünfjährigen Jungen, den verborgenen zwölften Iman - eine messianische Gestalt, die um das Jahr 874 spurlos verschwand.

Der iranische Klerus mit Revolutionsführer Ali Chamenei und auch der Staatspräsident regieren nur stellvertretend, bis der Mahdi zurückkehrt und die Welt rettet. Dies zu wissen kann dabei helfen, den besonderen Geist zu begreifen, der politische Prozesse im Iran durchzieht.

Die Wahl des Klerikers Hassan Rohani zum iranischen Präsidenten ist machttaktisch gesehen eine kleine Sensation, doch es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sie einen echten Iranischen Frühling auslösen wird.

Eine Sensation ist Rohanis Wahl, weil er wohl derjenige Kandidat war, den sich Revolutionsführer Chamenei am wenigsten gewünscht hätte. Seine Favoriten wie der Hardliner Said Dschalili fielen durch. Von einer demokratischen Bestimmung des Staatsoberhauptes kann allerdings keine Rede sein, denn zuvor hatte der mächtige Wächterrat alle Kandidaten eliminiert, denen der Klerus zutraute, den knochenharten Kurs Chameneis aufweichen zu wollen. Im Prinzip ähnelt dies den "Wahlen" verblichener kommunistischer Diktaturen, in denen das Politbüro nur Linientreue zuließ.

Nun wird also Hassan Rohani den unsäglichen Israel-Hasser und Holocaust-Leugner Mahmud Ahmadinedschad ablösen - der vergeblich versucht hatte, eine Marionette aus seiner Verwandtschaft zu installieren, um indirekt an der Macht zu bleiben.

Rohani ist ein Mann, der im Westen studiert hat und einen kooperativeren und weniger von ideologischen Scheuklappen beeinträchtigten Stil als Ahmadinedschad pflegen soll. Doch er ist auch ein schiitischer Kleriker im Range eines Hodschatoleslam, also knapp unterhalb eines Ajatollahs. Übrigens ist auch Chamenei eigentlich nur Hodschatoleslam, wurde aber zum Unmut mancher Rechtsgelehrten von der ihm gewogenen Presse kurzerhand befördert. Denn Chamenei ist immerhin Nachfolger des unbarmherzigen Ajatollahs und Staatsgründers Ruhollah Chomeini. Da macht sich der höhere Rang einfach besser.

Rohani ist Teil der herrschenden klerikalen Nomenklatur, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass er sich frontal gegen sie wenden wird. Allerdings steht er dem früheren Staatspräsidenten Rafsandschani nahe, einem vergleichsweise liberalen Politiker, den der Wächterrat noch kurz vor dem Urnengang aussortiert hatte.

Mit Rohani haben die Iraner ihre einzige Chance genutzt, die aggressive Außenpolitik Ahmadinedschads abzustrafen, die den Iran international isoliert und einschneidenden Sanktionen unterworfen hat. Sie ist auch eine unübersehbare Kritik am harten Kurs des Revolutionsführers, der jedes zarte Pflänzlein namens Pluralismus oder Liberalisierung zertreten lässt.

Hassan Rohanis politischer Spielraum innerhalb der von Chamenei gezogenen Grenzen ist überschaubar und liegt vor allem im Atmosphärischen. Eine Entspannung im bellenden Tonfall zwischen dem Iran einerseits sowie Israel und dem Westen andererseits wäre schon ein erheblicher Gewinn. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass der Iran prinzipiell auf sein Atomprogramm verzichtet. Neben dem Wunsch nach Wiedererrichtung der regionalen Vormacht der persischen Großkönige unter islamischem Vorzeichen geht es auch um viel Nationalstolz.

Rohani könnte innenpolitisch etwas Druck aus dem Dampfkochtopf Iran nehmen. Langfristig, in Dekaden betrachtet, schwimmen Chamenei und seiner Betonriege allerdings die Felle davon. Die Iraner sind ein hochintelligentes Kulturvolk, das aufgrund der modernen Medien auch keineswegs vom Weltgeschehen abgeschnitten ist. Das Virus der Freiheit ist längst ausgestreut.