Vier Wochen haben die beiden Familienzweige Zeit, sich aufeinander zuzubewegen. Sonst müssen erstmals Externe den Tierpark führen.

Stellingen. Es war ein schöner Tag im Tierpark Hagenbeck - zumindest für die Tiere und die Besucher. Hinter den Kulissen jedoch verbreitete sich die Nachricht von der Abberufung der beiden Geschäftsführer Claus Hagenbeck und Joachim Weinlig-Hagenbeck am Freitag in wenigen Minuten und sorgte für Fassungslosigkeit. Zwei Fragen stellt sich die Belegschaft: Wie geht es jetzt weiter? Und wann hat dieser Streit endlich ein Ende? Antworten gibt es bisher nicht. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es bleiben beiden Seiten vier Wochen, die Entscheidung anzunehmen, dagegen Berufung einzulegen oder sich doch noch außergerichtlich zu einigen.

Bei Hagenbeck ist es traditionell eine Doppelspitze, die das Unternehmen leitet. Aus dem Stamm der Familie Claus Hagenbeck und dem Stamm von Caroline Hagenbeck wird je ein Geschäftsführer entsandt. Bis zum März 2012 waren dies der Biologe Stephan Hering-Hagenbeck und der Kaufmann Joachim Weinlig-Hagenbeck. Dann eskalierte ein schwelender Streit: Claus Hagenbeck kehrte nach acht Jahren Pause wieder in das aktuelle Geschehen als Geschäftsführer zurück, sein Schwiegersohn übernahm die Position des Zoologischen Leiters.

Joachim Weinlig-Hagenbeck beantragte gegen diesen Wechsel im Eilverfahren ein sogenanntes Tätigkeitsverbot für Claus Hagenbeck und bekam zunächst recht. Dann aber hob das Oberlandesgericht diese Entscheidung wieder auf. Der Grund: In der Zwischenzeit hatten sich bei zwei Gesellschafterversammlungen der Seniorchef und Joachim Weinlig-Hagenbeck gegenseitig abberufen. Dieser Vorgang offenbarte den Zustand größtmöglicher Zerrüttung. In einem Eilverfahren könne das Gericht nicht im Einzelnen klären, wem die Verantwortung für das Zerwürfnis zuzuschreiben ist, hieß es von Gerichtsseite. So blieben beide Geschäftsführer zunächst im Amt. Die Folge war über Monate eine Atmosphäre, die laut Richter Karsten Nevermann "durchaus Albtraum-Charakter für alle Beteiligten" hat: Die Geschäftsführer kommunizierten so gut wie gar nicht mehr miteinander, mindestens zwei Mediationsversuche scheiterten schon im Ansatz. Die Tierpark-Belegschaft musste versuchen, mitunter sehr gegensätzliche Anweisungen umzusetzen, die Zahl angedrohter Kündigungen nahmen zu. Alles zusammen ließ die Temperatur des Betriebsklimas Richtung null sinken.

Nun aber kommt Bewegung in die Causa Hagenbeck vs. Hagenbeck. Mit dem Landgerichtsurteil macht Richter Karsten Nevermann Druck. Die Entscheidung ist für beide Seiten kaum akzeptabel, würde es doch bedeuten, zwei Außenstehenden die Unternehmensführung anzuvertrauen. In seiner Urteilsbegründung bezog Karsten Nevermann Stephan Hering-Hagenbeck ausdrücklich in den Kreis der Streitenden mit ein. Das macht es für Claus Hagenbeck schwer bis unmöglich, seinen eigenen Schwiegersohn wieder als Geschäftsführer zu installieren. Zwar haben sowohl Stephan Hering-Hagenbeck als auch Joachim Weinlig-Hagenbeck Kinder, keines davon steht jedoch in den Startlöchern, um die Nachfolge des Vaters antreten zu können.

Berufung einzulegen und vor das Hanseatische Oberlandesgericht zu ziehen, würde die Situation weiter eskalieren lassen - zum Nachteil des Tierparks. Die Belegschaft ist durch die Vorgänge der vergangenen Monate stark verunsichert. Wie dieses Zerwürfnis so eskalieren konnte, ist Vertrauten wie Außenstehenden ein Rätsel, das viele an eine emotional aufgeladene Ehescheidung erinnert und Richter Karsten Nevermann mit Blick auf die Streitenden im November 2012 vermuten ließ: "Es muss ein ziemlich schlimmes Jahr für sie gewesen sein."

Bleibt also noch die Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung. Über ihre Anwälte sind die Geschäftsführer bereits im Gespräch miteinander. Vielleicht setzen sie sich in den kommenden vier Wochen auch wieder persönlich an einen Tisch.