Er war der bislang einzige Politiker, der die beiden höchsten Ämter der Hansestadt ausfüllte: Der frühere Bürgermeister und Bürgerschaftspräsident Peter Schulz ist am Freitag im Alter von 83 Jahren verstorben.

Mit Peter Schulz, der am Freitag 83-jährig in einem Hamburger Krankenhaus an den Folgen einer Herzerkrankung gestorben ist, verliert Hamburg, verliert die Hamburger SPD einen Staatsmann, der die Höhen und Tiefen der Politik ungewöhnlich intensiv erlebt und erlitten hat. Er war der bislang einzige Politiker, der die beidne höchsten Ämter des Stadtstaates - Präsident des Senats und Präsident der Bürgerschaft - innehatte.

Peter Schulz war kein Hamburger, sondern Spross einer aus Tradition und tiefer Überzeugung seit Kaisers Zeiten sozialdemokratischen Familie in Rostock, die die NS-Diktatur genauso kompromisslos abgelehnt hat wie deren kommunistische Fortsetzung. Sein Vater Albert Schulz war von 1946 bis zu seiner Absetzung 1949 Oberbürgermeister der Stadt, und er selbst legte dort 1949 die Abiturprüfung ab. Das waren Jahre, die ihn zutiefst und lebenslang geprägt haben.

Diese beiden Sozialdemokraten, Vater und Sohn, waren gänzlich immun gegen Versuchungen, mit den Kommunisten zu taktieren und zu paktieren - wo und wie auch immer. Überzeugungstreue, Standfestigkeit und gesunder Menschenverstand - das waren die drei politischen Tugenden, an denen Peter Schulz wie sein Vater stets festgehalten hat: Politiker, aus Hartholz geschnitzt.

Nach dem Jurastudium in Hamburg gründete Peter Schulz 1960 zusammen mit Alfred Philipp die heute als Schulz, Noack Bärwinkel firmierende Anwaltssozietät, die in Hamburg, Rostock und Shanghai tätig ist. Der Weg in die Politik war für den jungen Juristen mit diesem familiären Hintergrund fast selbstverständlich. Schon während des Studiums wurde Peter Schulz Landesvorsitzender der Jungsozialisten. In dieser Zeit begann seine lebenslange Freundschaft mit Helmut Schmidt.

Im Jahr 1961 in die Bürgerschaft gewählt, machte dieser Abgeordnete bald durch Fleiß, Sachkunde, politisches Geschick und eine Vorliebe für Ringelnatz-Gedichte auf sich aufmerksam. Seine große Chance bekam er 1966, als die Hamburger Politik vor dem Fall Haase stand, einem bis dahin für unvorstellbar gehaltenen Justizskandal. Im Untersuchungsgefängnis war ein wehr- und hilfloser Häftling, der Deutschamerikaner Ernst Haase, von Strafvollzugsbeamten so schwer misshandelt worden, dass er an den Folgen starb.

Das war schlimm genug. Haarsträubend aber war das Verwaltungshandeln in diesem bedrückenden Fall. Vor allem die Staatsanwaltschaft und die Gefängnisbehörde hatten ihre Energien nicht darauf konzentriert, den Fall aufzuklären, sondern ihn zu vertuschen. Nur der Hartnäckigkeit eines Gerichtsmediziners war es zu verdanken, dass dies misslang. Peter Schulz leitete den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der Licht in dieses Dunkel bringen sollte, souverän und sachorientiert. Seine steile politische Karriere setzte er 1966 an der Spitze der neuen Justizbehörde fort, dann 1970 als Schulsenator und Zweiter Bürgermeister, stets mit ruhiger, aber fester Hand und mit einer Verbindlichkeit, die damals auch in der oppositionellen CDU wahrgenommen und respektiert wurde.

Als Bürgermeister Herbert Weichmann nach sechs ungemein erfolgreichen, prägenden Jahren aus eigenem Entschluss zurücktrat, gab es keinen Zweifel daran, dass Peter Schulz die Nachfolge antreten würde, und so kam es auch. Mit 41 Jahren war er der jüngste Bürgermeister seit 1678. Seine erste Amtshandlung als Regierungschef war es am 9. Juni 1971, eine Laudatio auf seinen Amtsvorgänger zu halten und ihm den Ehrenbürgerbrief zu überreichen. In dieser Rede hat Peter Schulz die Anforderungen, denen ein Senatschef gerecht werden muss, prägnant formuliert. Tragisch war, dass sich nach und nach zeigte: Er vermochte diesem Profil nicht zu entsprechen. Das lag zum Teil an seiner Amtsführung, zum Teil an den innerparteilichen Grabenkämpfen der SPD, und schwierige Sachprobleme wie die Haushaltskonsolidierung kamen hinzu. Bei der Bürgerschaftswahl vom 3. März 1974 stürzte die SPD von stolzen 55,3 auf 44,9 Prozent ab. Nach Vorgängen, die man im Hinblick auf den Stil am besten mit dem Begriff der innerparteilichen Brutalität kennzeichnen kann, trat Peter Schulz am 4. November 1974 nach einem quälenden halben Jahr entnervt zurück.

Die Wunde dieses Tages hat ihn lange und tief geschmerzt. Aufgefangen haben ihn damals Ehefrau Sonja, eine Ärztin, und sein Beruf als Anwalt. Die SPD hatte selbst das Gefühl, dass sie an diesem Mann etwas gutzumachen hatte, und so wurde Peter Schulz 1978 einstimmig zum Bürgerschaftspräsidenten gewählt. Dieses Amt, das ihm lag, hat er mustergültig bis 1986 mit zwei kurzen Unterbrechungen ausgeübt. Das "Feierabend-Parlament" lag ihm am Herzen.

Was kennzeichnet den geradlinigen Charakter dieses Mannes besser als sein Verhalten als Anwalt des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm? Schulz drängte seinen Mandanten und Parteifreund 1993, ihn im Untersuchungsausschuss zur Barschel-Affäre von der anwaltlichen Schweigepflicht zu entbinden. Schulz wusste, dass Engholm vor der Landtagswahl 1987 über die gegen ihn gerichteten Machenschaften Reiner Pfeiffers informiert war, was Engholm stets bestritten hatte. "Mir war klar, dass ich Engholm nicht helfe, indem ich dazu beitrage, dass er einen Meineid schwört", sagte Schulz 2009 in einem Abendblatt-Interview. Engholm entschloss sich, die Wahrheit zu sagen - und trat zurück.

Nach der Wende, die für ihn auch eine persönliche Genugtuung war, stellte Peter Schulz seine Erfahrungen seiner Vaterstadt Rostock als "One-Dollar-Man" zur Verfügung. Nur selten äußerte sich Schulz zur Hamburger Politik. Zuletzt ergriff er vor zwei Monaten Partei für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und sprach sich gegen den kompletten Rückkauf der Energienetze aus.

Hamburg hat seine Verdienste um die Stadt 1990 mit der Bürgermeister-Stolten-Medaille gewürdigt. In der hamburgischen Nachkriegsgeschichte erhält Peter Schulz einen ehrenden Platz.

"Über viele Jahrzehnte hat sich Peter Schulz in den Dienst der Politik gestellt. Als Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft konnte er sich über alle Parteigrenzen hinweg Respekt und Anerkennung erwerben. Er war für mich als Mensch und Politiker immer ein geschätzter Ratgeber. Unser Landesparlament wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren."

Carola Veit, Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft

"Peter Schulz war ein Anwalt Hamburgs und ein nüchtern-hanseatischer Politiker. Hamburg verliert mit ihm einen Ersten Bürgermeister und Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft, der sich zeitlebens dem Prinzip der sozialen Demokratie verpflichtet gefühlt hat."

Olaf Scholz, Erster Bürgermeister

"Mit Peter Schulz verlieren wir eine große Hamburger Persönlichkeit, einen leidenschaftlichen Kämpfer für die Demokratie. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hat ihm viel zu verdanken. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Angehörigen."

Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion

"Hamburg verliert mit Peter Schulz einen engagierten Demokraten, der sich stets für das Wohl unserer Stadt und darüber hinaus eingesetzt hat. Für seine vielfältige politische Arbeit als Bürgermeister, Bürgerschaftspräsident und Abgeordneter wurde er über die Parteigrenzen hinweg hoch geachtet. Das Mitgefühl der CDU-Fraktion gilt seiner Familie und seinen Freunden."

Dietrich Wersich, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion

"Mit Peter Schulz verliert Hamburg einen engagierten und großen Demokraten. Er hat sich als Bürgermeister, als Abgeordneter und als Präsident der Bürgerschaft um eine lebendige Demokratie in Hamburg verdient gemacht. Für uns bleibt auch in Erinnerung, dass er schon Anfang der 1970er-Jahre mit der ,Aktion Grüne Stadt' in Hamburg den Umweltgedanken bewegte. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Angehörigen."

Jens Kerstan, Vorsitzender der Grünen-Bürgerschaftsfraktion

"Mit Peter Schulz verliert unsere Stadt einen aufrechten Kämpfer für das Wohl der Hamburgerinnen und Hamburger. Als Abgeordneter, Bürgerschaftspräsident und Bürgermeister der sozialliberalen Koalition zwischen 1971 und 1974 hat er stets zuallererst für die Belange der Bürger gearbeitet. Die FDP-Fraktion trauert mit seiner Familie und seinen Freunden um einen großen Hamburger."

Katja Suding, Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion

"Peter Schulz war jahrzehntelang ein aufmerksamer und freundschaftlicher Begleiter unserer Handelskammer. Bis zuletzt hat unser Standort von seiner außerordentlichen China-Kompetenz profitiert."

Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer