“Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo plädiert auf dem Forum Lokaljournalismus für ein Ende der brancheneigenen Schwarzmalerei. Zu den Referenten zählt auch Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider. Thema des Kongresses ist unter anderem die Zukunft des Journalismus.

Schon in der sehr ausführlich geratenen Begrüßungsrede von Thorsten Schilling, Fachbereichsleiter Multimedia bei der Bundezentrale für Politische Bildung, dauerte es nur wenige Minuten, bis die vermeintlich entscheidenden Begriffe fielen: „Entlassungen“, „Sparmaßnahmen“, „Krise“. Unter dem Titel „Zwischen Qualität und Rendite“ diskutieren die Teilnehmer des 21. „Forum Lokaljournalismus“ (in diesem Jahr ausgerichtet vom Hamburger Abendblatt) noch bis Freitag über den „Wert des Journalismus“ – und Journalisten, so scheint es, sind professionelle Schwarzmaler, wenn es um ihre eigene Branche geht.

Dabei dürften auch die Medienvertreter das unternehmerische Credo kennen, an das Gastredner Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der erfolgreichen „Zeit“ nur einige Augenblicke später erinnerte: „Du sollst deine eigenen Produkte nicht schlechtreden“. Unter Journalisten, so Di Lorenzo, sei dieses Gebot jedoch anscheinend „gänzlich unbekannt“. Was nicht nur schade, sondern auch unter Marketingaspekten eine ausgesprochene Dummheit sei – und ganz nebenbei nicht der Wahrheit Rechnung trage. „In Deutschland haben wir noch immer die besten, unabhängigsten Medien der Welt“, findet der Chefredakteur, der mit seiner Hamburger Wochenzeitung gegen den Branchentrend Auflage, Reichweite, Rendite und Umsatz steigern konnte – und dafür von vielen Anwesenden nicht nur heftig beneidet wird, sondern für seine Rede „Wie guter Journalismus überlebt – Macht endlich Schluss mit der Selbstdemontage“ am Ende sogar einen „Ehrenindianertitel“ verliehen bekam: „Der Mutmacher“.

Wie oft habe man der „Zeit“ schon „das Totenglöckchen geläutet“, erinnerte Di Lorenzo, die „große Erzählung vom Untergang der Presse“ mache ihn daher skeptisch. Im Gegenteil beobachte er bei den Menschen eine „Sehnsucht nach Orientierung, Substanz und Relevanz“, viele Leser wünschten sich „Entschleunigung, mehr Verlässlichkeit und Tiefe“.

Giovanni di Lorenzo zeigte sich „überzeugt davon, dass die Menschen noch immer gern lesen“, drei Stunden nehmen sich „Zeit“-Leser im Durchschnitt für ihr Blatt. Wichtig sei es also, die Vielfalt und Unabhängigkeit der Qualitätszeitungen zu erhalten – auch wenn das kostspielig sei –, immer wieder Dinge auszuprobieren, Neues zu wagen. Nicht gegen die Leser, betonte er, aber durchaus gegen manche Widerstände, auch die mancher Leser. Dafür braucht es bisweilen ein dickes Fell: Als die „Zeit“ das Ressort „Glauben & Zweifeln“ einführte, erzählte Di Lorenzo, habe man ihm direkt ein Paket mit Fäkalien in die Redaktion geschickt.

Aber auch mit Kritik an den Kollegen – fast 190 Chefredakteure und Lokalchefs von Lokal- und Regionalzeitungen zwischen Bodensee und Nordsee sind zum Forum an die Elbe gereist – sparte Di Lorenzo nicht: Die zum Teil vernichtende Kritik an Politikern führe nicht nur dazu, dass junge Talente nicht mehr in die Politik gingen, sie bereite auch der allgemeinen Politikverdrossenheit den Weg. Das wiederum wirke sich indirekt auch auf den Journalismus aus: „Wir brauchen politisch und gesellschaftlich interessierte Bürger, damit wir weiter Zeitungen verkaufen können.“