Guter Unterricht und engagierte Lehrer sind wichtiger als eine neue Reform

Hamburg steht ein neuer Schulstreit ins Haus, und es gehört nicht viel Prognosekraft dazu zu behaupten, dass die Stadt eine emotionale und erhitzte Debatte erleben wird. Ist das verpflichtende Abitur nach acht Jahren, also G8, an Gymnasien ein Irrweg, weil es die Jungen und Mädchen zu sehr belastet und ihnen den Spaß an Kindheit und Jugend nimmt? Brauchen wir daher die von der jetzt gestarteten Volksinitiative geforderte Rückkehr zu G9, das bislang nur die Stadtteilschulen anbieten?

Ein Versuch zur Versachlichung: Es gibt Gymnasien, die mit der verkürzten Schulzeit gut klarkommen, weil sie ihre interne Organisation umgestellt haben und Angebote zur Entlastung nutzen. Es gibt aber auch Schulen, die die Tatsache, dass ein Jahr weniger zur Verfügung steht, praktisch ignorieren. Diese Schulen lassen die zwangsläufigen Mehrbelastungen vor allem die leistungsschwächeren Schüler spüren. Und umgekehrt: Man kann auch G9 schlecht organisieren und die Schüler damit demotivieren. Wahr ist auch: Schüler, die auf dem Gymnasium scheitern, gab es auch früher schon.

Daraus folgt eine Konsequenz: Schulerfolg, gute Schule hängt nicht so sehr an der Frage G8 oder G9. Guter Unterricht, ein engagierter Lehrer, der seine Schüler kennt und ihren Bedürfnissen entsprechend fördert - das ist an jeder Schule möglich, ob Stattteilschule oder Gymnasium.

Andererseits gibt es genug am Hamburger Schulsystem auszusetzen. Da ist das leidige Thema der Inklusion, also der Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen: in der Theorie gut, aber in der Praxis schlecht umgesetzt. Oder die enormen Verzögerungen beim Umbau der Schulen zum Ganztagsbetrieb, Stichwort Kantinen. Die Stadtteilschulen selbst sind eine große Baustelle: Sie benötigen dringend einen Attraktivitätsschub, um sich gegen die mächtige Konkurrenz der Gymnasien zu behaupten. Diese Beispiele zeigen: Es gibt in Hamburg - vermutlich nicht nur hier - die unselige Neigung von Schulpolitikern, große Reformen Hals über Kopf zu beschließen und den Rest den Schulen und den dort Tätigen und Lernenden zu überlassen.

Und noch etwas ist eine Lehre der vergangenen Jahre, in Wahrheit Jahrzehnte: Alle Debatten über das vermeintlich richtige Schulsystem - dreigliedrig, zweigliedrig oder Schule für alle - sind letztlich fruchtlos. Sie spalten eine Stadt wie Hamburg mit ihren sehr unterschiedlichen sozialen Milieus, und sie lenken ab vom Wesentlichen: dem Streben nach mehr Qualität in der Schule, nach besserem Unterricht und, ja, nach zufriedeneren Schülern und übrigens auch Lehrern.

Es waren Einsichten wie diese, die CDU, SPD und Grüne in der Bürgerschaft Anfang 2010 dazu brachten, sich auf einen Schulfrieden zu verständigen, der die Schulstruktur zehn Jahre lang unangetastet lassen sollte. Ehrlicherweise muss hinzugefügt werden, dass diese Einsicht der Politiker aus der Not heraus geboren wurde. Der Volksentscheid gegen die Primarschule stand ins Haus, das Ergebnis ist ja bekannt: Es wurde eine krachende Niederlage für die Parteien. Die Hamburger haben damals mit ihrem Nein zum längeren gemeinsamen Lernen dem Reformwahn von oben einen wirksamen Riegel vorgeschoben.

Aber die zugrunde liegende Argumentation ist darum heute nicht falsch: Hamburgs Schulen brauchen dringend weiterhin eine Reform-Abstinenz. Jetzt muss es darum gehen, innerhalb der bestehenden Strukturen zu besseren Ergebnissen zu kommen. Denn eines darf ja nicht völlig außer Acht gelassen werden: Hamburg schneidet bei allen Ländervergleichen der Schülerleistungen eher unterdurchschnittlich ab. Mit der Verkleinerung der Klassen in Grund- und Stadtteilschulen sind wichtige Voraussetzungen zur Besserung geschaffen.