Nach dem Ausstieg aus der Tarifbindung setzt die Gewerkschaft der Warenhauskette in Hamburg ein Ultimatum. Essener Konzern hatte überraschend erklärt, mit einer zweijährigen “Tarifpause“ Millionen an Gehältern sparen zu wollen.

Hamburg. Arno Peukes kann seinen Zorn nur schwer im Zaum halten, wenn es um das Verhalten der Warenhauskette Karstadt in der aktuellen Tarifrunde geht. "Es ist schon eine bodenlose Frechheit, mitten in den Verhandlungen aus der Tarifbindung auszusteigen", sagt der Gewerkschafter, der bei Ver.di in Hamburg für den Einzelhandel zuständig ist. Auf diese Weise gehe ein Unternehmen weder mit dem Verhandlungspartner, noch mit den eigenen Beschäftigten um.

Am Montagabend hatte der Essener Konzern überraschend erklärt, mit einer zweijährigen "Tarifpause" Millionen an Gehältern sparen zu wollen. Das Unternehmen habe für die Zeit bis 2015 bei den Arbeitgeberverbänden eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung angemeldet, teilte Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz mit.

Künftige Lohnerhöhungen wie etwa die derzeit von Ver.di geforderten 6,5 Prozent haben damit für das Unternehmen keine Wirkung. Karstadt spare durch den Schritt in zwei Jahren geschätzte 36 Millionen Euro bundesweit, hieß es aus Unternehmenskreisen. Nur der Status quo soll nicht angetastet werden. Alle Sonderzuwendungen und das Urlaubsgeld seien sicher, hieß es.

In Hamburg könnte dieser Schritt nun zu einem heftigen Konflikt mit der Gewerkschaft führen. "Wir haben Karstadt dazu aufgefordert, bis Sonnabend wieder in Verhandlungen mit uns einzusteigen und auch künftige Lohnerhöhungen anzuerkennen", sagt Peukes. "Sollte dies nicht geschehen, behalten wir uns alle Mittel des Arbeitskampfes vor, die uns zur Verfügung stehen." Dazu gehöre auch ein Streik in den elf Hamburger Karstadt-Filialen.

In vielen Warenhäusern werden die Betriebsräte am morgigen Donnerstag die Beschäftigten über die jüngsten Pläne des Karstadt-Managements informieren und über weitere Schritte beraten. So sind unter anderem bei Karstadt an der Mönckebergstraße und in Wandsbek Betriebsversammlungen am Vormittag geplant, die sich auch auf die Öffnungszeiten der Häuser auswirken könnten. "Die Stimmung ist nach den jüngsten Ankündigungen gedrückt", sagte die Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Mö, Ursula Stolle. Wie man auf die Sparpläne des Managements reagieren werde, könne sie jetzt aber noch nicht sagen.

Karstadt begründete den zeitweiligen Ausstieg aus der Tarifbindung mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Die Pause bei den Lohnerhöhungen sei für die "vollständige Genesung" der Kette erforderlich, so Arbeitsdirektor Weitz.

Vorstandschef Andrew Jennings hatte bereits zuvor immer wieder die schwierige Sanierung des Konzerns beschworen. Das 2010 von dem Milliardär Nicolas Berggruen aus der Insolvenz übernommene Unternehmen hatte im vergangenen Jahr angekündigt, bis Ende 2014 insgesamt 2000 Stellen abzubauen. Der Schritt wurde seinerzeit mit den herausfordernden Marktbedingungen begründet. Details zur Umsatz- und Ergebnisentwicklung hatte Vorstandschef Jennings nicht genannt. Seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2010/11 hatte Karstadt erst verspätet Mitte Februar vorgelegt, Zahlen für 2011/12 wurden noch nicht veröffentlicht. Für das vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 laufende Geschäftsjahr hatte Karstadt unter dem Strich einen Fehlbetrag von 20,8 Millionen Euro ausgewiesen.

Für die Gewerkschaft ist der Tarifausstieg hingegen ein "Skandal" und eine krasse "Fehlentscheidung". Die Mitarbeiter hätten seit 2004 etwa über Lohnverzicht bereits mehr als 650 Millionen Euro in ihr Unternehmen investiert, der Eigner Nicolas Berggruen dagegen so gut wie nichts, erklärte Peukes. Bei der Übernahme habe der Eigentümer noch erklärt, nach Auslaufen des alten Sanierungstarifvertrags wieder den üblichen Tariflohn zu zahlen. "An dieses Versprechen hat er sich nicht gehalten", so Peukes.

Für Ver.di geht es allerdings nicht nur um die Karstadt-Beschäftigten. Mit der Warenhauskette und ihren bundesweit 20.000 Mitarbeitern verabschiedet sich eine der letzten, großen Stützen des Tarifsystems im Einzelhandel. Schätzungen zufolge liegt die Tarifbindung in Hamburg ohnehin nur noch bei etwa 40 Prozent, ausgehandelte Konditionen drohen dadurch immer mehr zur Makulatur zu werden. Arbeitgeber wie die Modekette Tom Tailor oder die Drogeriekette Budnikowsky setzen schon lange auf Haustarife, die sich nur bedingt an den generellen Verträgen auf Landesebene orientieren.

Vor diesem Hintergrund hält auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) die Entscheidung von Karstadt für bedenklich. Der Schritt des Unternehmens sei schlecht für den Tarifvertrag insgesamt, sagte der Tarifexperte des Verbands, Heribert Jöris. Vermehrte Austritte könnten negative Folgen für die Wettbewerbsgleichheit in der Branche haben.

Zumindest Karstadt-Konkurrent Kaufhof will dem bisherigen System aber die Treue halten. "Wir stehen klar zur Tarifbindung", erklärte der Geschäftsführer Personal der Metro-Tochter, Ulrich Köster.