Junge Hamburger Agenturen wie Labamba, Oliver Voss oder Massklusive arbeiten derzeit sehr erfolgreich. Die digitale Welt hilft ihnen im Wettbewerb mit den Branchenführern.

Hamburg. Das Video zum Muttertag ist soOOo süß", freut sich eine Nivea-Kundin auf Facebook. "Da kamen mir gleich die Tränen", gesteht eine andere Internetsurferin über einen Spot, in dem ein kleiner Blondschopf darüber nachdenkt, was seine Mutter alles für den Nachwuchs tut. 700.000-mal ist das Filmchen bereits auf YouTube angeklickt worden. Den Erfolg mit dem sinnierenden Kleinkind hat der Traditionskonzern Beiersdorf einer jungen Hamburger Firma zu verdanken: Macher ist die Agentur Labamba

mit gerade einmal einer Handvoll Mitarbeitern. Die sitzen in einer ehemaligen Schwimmwestenfabrik am Fischmarkt und sind dort offenbar sehr kreativ. Denn auch ihr aktuelles Video für ein neues Nivea-Deo für stressige Lebenslagen ist sehr angesagt bei der Internetgemeinde und brachte es bisher auf immerhin sechs Millionen Klicks.

Weder die Muttertagsaktion "Danke Mama" noch das Video zum Stressschwitzen, bei dem Passagiere am Hamburger Flughafen in den Glauben versetzt werden, nach ihnen werde gefahndet, kommt damit von Beiersdorfs Leadagentur Draftfcb. "Wir haben am Pitch teilgenommen und offenbar den Nerv von Beiersdorf getroffen", sagt Felix Schulz, Inhaber von Labamba.

Es ist durchaus keine Seltenheit, dass kleine Agenturen oder Newcomer in Hamburg erfolgreich arbeiten und sehr renommierte Kunden für sich gewinnen können. Nicht alle Konzerne stürzen sich auf Jung von Matt oder Netzwerke wie Grey oder BBDO. So hat die Agentur Lukas, Lindemann, Rosinski einen Auftrag für eine weltweite Anzeigenkampagne von Mercedes gewinnen können, Gürtlerbachmann begleitet die europaweite Einführung eines neuen Kia-Modells. Und Oliver Voss, Newcomer-Agentur des Jahres 2012, betreut mit einem kleinen Team Kunden wie "Die Welt" oder Sixt.

In Hamburg sitzen insgesamt 14.946 Firmen der Kreativwirtschaft, einer Branche, zu der auch Architekten, Designer und die Presse zählen. 2407 Werbeagenturen im engeren Sinne haben Hamburg zu ihrem Unternehmensstandort gemacht. Die meisten davon sind kleinere Betriebe.

"Ihre Situation hat sich nach der Krise 2009 überraschend gut entwickelt", sagte Daniela Strasser von der Werbefachzeitschrift "Werben & Verkaufen". Nach einer Reihe von Insolvenzen während der Finanzkrise komme es inzwischen kaum noch zu Schließungen. Falls sich die Konjunktur nicht abschwäche, seien die Perspektiven der kleinen Kreativteams gut.

Die Durchsetzungskraft der jungen Büros beruht in erster Linie auf zwei Faktoren: Viele von ihnen nutzen die Veränderungen in der digitalen Welt und spezialisieren sich auf neue Wege in der Werbung. Dazu gehört das Büro Fluent, von Ex-Managern von Saatchi & Saatchi und Serviceplan gegründet. Die Firma sieht sich als Agentur für das neue digitale Jahrhundert.

Beebop dagegen verknüpft die digitale mit der realen Welt und setzt dabei auf Hingucker wie bunt bedruckte Umkleidekabinen am Strand oder riesige Plakatwände, die ganze Häuserfronten bedecken. Kunden von Beebop sind etwa mobilcom-debitel oder Samsung.

Massklusive aus der Hansestadt ist in der neuen Werbewelt besonders erfolgreich und belegt in der aktuellen Social-Media-Rangliste mit 3,15 Millionen Euro Honorarumsatz Platz zwei.

"Aktuell sehen wir viel Erfolg neuer Geschäftsmodelle am Werbestandort Hamburg", fasst Gunnar Brune zusammen. Der Hamburger Brancheninsider hat 16 Jahre lang bei Agenturen in Hamburg wie Scholz & Friends, Lowe und Zum Goldenen Hirschen gearbeitet. Die jungen Firmen könnten durchstarten, weil sie von den Entwicklungen durch das Internet und den sozialen Medien profitieren. "Auch wenn man seit Jahren immer wieder von Blogs und Facebook spricht - diese Welt hat nur eine Konstante: die Veränderung. Und überall, wo sich viel verändert, haben kreative Neugründungen Erfolg - und viele davon sind in Hamburg", fasst Brune die Chancen an der Elbe zusammen. Brune selber hat sich mit der Firma Tricolore Marketing selbstständig gemacht, einer Beratung mit dem Schwerpnkt auf sozialer Interaktion, wie sie das Internet derzeit forciert.

Derartige neue Agenturen entwickeln nur selten einen klassischen TV-Spot. Sie bieten ganz neue Berufsbilder. Die Büros werten Statistiken aus und schreiben Texte, um später bessere Suchmaschinenergebnisse bei Google zu erhalten. Konsumenten werden beobachtet und darüber befragt, wie Information und Kauf auf Webseiten noch einfacher zu gestalten sind.

Ein weiterer wichtiger Treiber der Gründerszene sind die großen Namen der Branche. In Hamburg galt dies in den vergangenen Jahren vor allem für Jung von Matt und die im Jahr 2010 untergegangene Springer & Jacoby. "Viele Agenturchefs in Hamburg haben ihre Wurzeln bei diesen Unternehmen", beobachtet Daniela Strasser von "Werben & Verkaufen". Hierbei unterscheide sich Hamburg von anderen Werbestandorten wie Frankfurt oder Berlin. Wer bei den Branchengrößen gearbeitet hat, konnte dort Kontakte knüpfen und wichtige Kunden gewinnen, sammelte erste Vorschusslorbeeren für seine spätere eigene Selbstständigkeit. Diese beiden Unternehmen, die in Sachen Kreativität und Auszeichnungen auf Werbefestivals immer wieder Spitzenplätze belegten, fungierten in Hamburg in den vergangenen Jahren als Mutterboden für zahlreiche Agentursprösslinge. Oliver Voss, der 2011 mit der riesigen Badenixe auf der Binnenalster auf sich aufmerksam machte, kommt von Jung von Matt. Auch hinter Lukas, Lindemann, Rosinski und "Neues aus Hamburg" mit Sitz im Nikolaikontor stehen Inhaber mit Jung-von-Matt-Vergangenheit. Bei Gürtlerbachmann liegen die Wurzeln bei Springer & Jacoby. Die Ursachen für den Wechsel vom Angestellten zum Arbeitgeber ähneln sich bei vielen Gründern: "In den großen Agenturen herrschen klare Hierarchien und enge Strukturen", weiß Daniela Strasser. Eitle Persönlichkeiten oder Leute mit einem besonderen Ehrgeiz wählten irgendwann dann lieber die Selbstständigkeit, als in diesem Korsett weiterzuarbeiten.

Auch der Erfinder der Nivea-Spots, Felix Schulz, kennt diesen Werdegang: Er verdient sein Geld seit sieben Jahren in der Werbung, war vor der Gründung seiner eigenen Firma bei Jung von Matt und Kolle Rebbe. Den Kontakt zu Beiersdorf hat er den alten Beziehungen zu verdanken. Die Entscheidung, sich selbstständig gemacht zu haben, bereut er nicht: "Die Leute bei uns sind an allen Entscheidungen direkt beteiligt. Dadurch ist die Motivation sehr hoch", freut sich der 32-Jährige.

Durch das kleine Team spare er Fixkosten. Und er sei dadurch auch nicht auf jeden Kunden angewiesen: "Wir müssen nicht jeden Auftrag annehmen und können danach auswählen, wo unsere Stärken liegen", sagt der studierte Kommunikationsdesigner. Bei Beiersdorf scheint ihm das jedenfalls bestens geglückt zu sein.