Das Motto des Kirchentages “Soviel du brauchst“ ist von bemerkenswerter Aktualität

Es ist lange her, dass sich die Macher des Kirchentages in Hamburg für einen Slogan entscheiden mussten. Sie wussten, dass der ausgewählte Leitgedanke in die Zeit passt - aber wie gut, das dürfte jetzt auch sie überraschen. "Soviel du brauchst", heißt der Slogan, und er wirkt wie maßgenau angefertigt für diese Tage, in denen ganz Deutschland über Uli Hoeneß und dessen Probleme mit den Steuerbehörden spricht. Um wie viel Geld es geht, das der Präsident des FC Bayern München offensichtlich nicht ausreichend oder gar nicht versteuert hat, ist zwar unklar. Klar ist aber, welche Frage sich aus seinem Fall ableitet: Warum gibt es immer wieder Menschen, die alles haben, Geld genauso wie Macht und Erfolg, und denen das trotzdem nicht reicht? Die versuchen, noch reicher zu werden, obwohl es doch nun wirklich keine Rolle spielen dürfte, ob man fünf, zehn oder 20 Millionen Euro auf dem Konto hat. So viel Geld braucht, um beim Kirchentag zu bleiben, doch sowieso kein einzelner Mensch.

Dem Kirchentag ist zuzutrauen, dass er Antworten auf diese Frage, auf eines der größeren Rätsel unserer Gesellschaft, findet. Wieso riskiert einer, der so viel, um nicht zu sagen: alles erreicht hat, sein ganzes Renommee, seine Stellung, ja, im schlimmsten Fall sogar seine Freiheit und wagt den Konflikt mit den Steuerbehörden?

Man könnte in diesem Zusammenhang über die Faszination des Geldes diskutieren und über die These, dass die Angst, es zu verlieren, wächst, gerade wenn man reichlich davon hat; man könnte über das Verhältnis von Einkommen und Glück sprechen, das nur bis zu einer mittleren vierstelligen Summe, die man im Monat verdient, zunimmt; oder man stellt sich vor, was in einem Menschen vorgeht, den der berufliche und/oder der finanzielle Erfolg auf eine gesellschaftliche Position bugsiert, von der aus man leicht den Überblick verliert, vor allem aber den Blick für die Realität. Wer es gut meint mit herausragenden Menschen, die schwere Fehler, zum Beispiel bei der Steuererklärung, begehen, der gesteht ihnen zu, dass es nicht leicht sein muss, sich in diesem oder jenem Bereich an Regeln zu halten, wenn man ansonsten überall eine besondere Behandlung erfährt.

Superstars, und in dieser Kategorie ist Uli Hoeneß einer, sind der Gefahr ausgesetzt, trunken von der eigenen Bedeutung zu werden und dabei unter anderem zu vergessen, dass Gesetze, gerade Steuergesetze, für sie genauso gelten wie für alle anderen Bürger. Sie sind es gewohnt, in jeder Situation einen besonderen Weg zu gehen, sind bereit, jede noch so große Herausforderung anzunehmen, um am Ende fast immer als Sieger dazustehen. Dieses Gefühl der Unverwundbarkeit oder, um in der aktuellen, übrigens objektiven Wahrnehmung des FC Bayern München zu bleiben, dieses Gefühl der Unbesiegbarkeit kann offensichtlich zu verheerenden Fehlentscheidungen führen. Zu Entscheidungen, die den Betroffenen im schlimmsten Fall auf das zurückfallen lassen, was man im Leben wirklich braucht beziehungsweise was im Leben wirklich wichtig ist.

Wie viel braucht man? Das wäre die Frage, die man aus dem Slogan des Kirchentages ableiten kann, und man spürt, dass es eben nicht nur um eine simple, quantitative Antwort geht und um Geld eben schon gar nicht.

Wie viel braucht man - und was? Das ist das spannende Thema, weil es sich auch auf Dinge beziehen lässt, die man nicht kaufen kann. Glück und Liebe etwa, aber auch, um den Bezug zu den aktuellen Ereignissen wiederherzustellen, Wahrheit, Glaubwürdigkeit und Respekt.

Der Leitgedanke des Kirchentags ist kurz. Aber er enthält alles, was wir für die Diskussionen der nächsten Tage brauchen.