Reseda wie im “Radetzky-Marsch“, Diptam wie bei Goethe - die Schriftstellerin Ulla Hahn liebt Blumen-Zitate. “Unkraut zupfen! Das ist keine Arbeit für mich, sondern eine wunderbare Form der Entspannung.“

Hamburg. Ganz hinten im Garten liegt der kleine Teich, fast versteckt hinter Farnen, Reseden, Mädesüß und Sumpfdotterblumen. In seinem Wasser spiegelt er noch das Dach und den obersten Balkon des großen Stadthauses in Harvestehude. Wenn Ulla Hahn auf diesem Balkon sitzt, fängt der Teich sie ein, und umgekehrt hat auch sie ihn im Blick. Solche unsichtbaren Brücken zwischen Details und Gartengestalterin spielen eine Rolle, auch wenn sich Ulla Hahn unbekümmert gibt: "Vielleicht verschwindet der Teich wieder." Ihr Garten ist nie "fertig", und eine formale Gartenordnung hat sie nie interessiert.

Aber so ein Teich ist mehr als ein Wasserloch. Er ist wie ein Auge im Grün. Ein kleines Geheimnis. Die Fantasie entdeckt ihn vielleicht erst noch. So wie sich überall hier Pflanzen finden, die Ulla Hahn in Romanen, Gedichten, Geschichten entdeckt und mit Bedacht in ihren Garten geholt hat. "Zum Beispiel der Diptam, der zu Goethes Lieblingspflanzen gehörte", sagt sie und zeigt auf die weißen Blüten mit zarter rosa Zeichnung und langen Staubgefäßen, die in der Sonne einen angenehm zitronigen Duft verströmen. "Und hier, Reseda wie im ,Radetzky-Marsch': Frau Slama liebt Reseden."

In Joseph Roths Roman haben sogar noch die Liebesbriefe dieser Frau Slama einen "Hauch von Reseda", heißt es da. Weiter geht es mit Immortellen, die nicht nur in Theodor Fontanes "Irrungen, Wirrungen" eine Rolle spielen, sondern auch in "Effi Briest": Am Ort des Duells zwischen Effis Ehemann und ihrem Liebhaber wachsen gelbe Immortellen und blutrote Nelken. Und Anemonen erinnern Ulla Hahn an Gottfried Benn, der dieser Blume ein Gedicht widmete: "... Der Erde ohne Güte, / der nur die Macht gerät, / ward deine leise Blüte / so schweigend hingesät ..."

Rosen ranken an der Hauswand empor, gucken überraschend aus Fingerhut-Gruppen und blauem Rittersporn. Ihr Mann Klaus von Dohnanyi sei ein Rosenfreund, sagt Ulla Hahn, vor allem ein Liebhaber alter, duftender Rosen. Neue Hybridsorten interessieren sie nicht: "Furchtbar, duftlos. Da kann man sich genauso gut Plastikrosen in die Erde stecken." Keine Blume (außer dem Veilchen) ist so oft von Dichtern beschrieben worden wie die Rose: "Sah ein Knab ein Röslein stehn ..."

Überhaupt Goethe. Ein großer Gartenliebhaber, mit dessen Pflanzen allein Ulla Hahn den ganzen Garten füllen könnte. In seinen Tagebüchern beschrieb er nicht nur blühende Stauden, sondern auch seine Versuche mit Weinreben, Bäumen, Sträuchern, Gemüsen. In einem Brief an seine Frau Christiane schrieb er am 30. März 1810: "... auch lege ich Rapontika-Samen (Oenethera biennis) bey, davon du die Hälfte jetzt auf ein wohlbestelltes Ländchen säen kannst, die andere Hälfte erst im May auf ein anderes. Wie diese Pflanzen übrigens zu behandeln sind, besprechen wir noch weiter mündlich."

Im hahnschen Garten gibt es keine felsenfesten Regeln. Aber viele kleine Schönheiten: die blauen Blüten des Boretsch, rosa Pfingstrosen, violette und rötliche Akelei, Fingerhut, Jasmin, Bergkornblumen, Nachtkerzen, Baldrian; und weißen Phlox. Wenn man auf der Treppe vom Wohnzimmer zum Garten steht, blickt man auf einen Sitzplatz auf kleinen Pflastersteinen, der von duftenden Wildpflanzen und Rosenbüschen umgeben ist. Als Ulla Hahn mit ihrem Mann einzog, bestand der größte Teil der 450 Quadratmeter Garten aus einem Teich - "ein großes Wasserloch". Das langweilte sie, deshalb wurde der Teich aufgeschüttet bis auf den kleinen Rest.

Der Garten in Monheim am Rhein, in dem sie groß geworden ist, sah anders aus. "Das war ein typischer Kleine-Leute-Garten", erzählt sie, "mit Möhren, Erbsen, Kartoffeln. Mein Vater war allerdings ein großer Gärtner und Rosenfreund. Er hat auch Obstzweige gepfropft." Heute, meint sie amüsiert, würden wohl die meisten ihrer Verwandten "beim Anblick meines Gartens Zustände kriegen".

Wenn sie vom Sitzplatz durch zwei große Buchskugeln tritt, steht sie in einer geordneten Wildnis mit lieb gewordenen Bekannten. Und was tut Ulla Hahn im Garten? "Unkraut zupfen! Das ist keine Arbeit für mich, sondern eine wunderbare Form der Entspannung, ein guter Kontrast zur geistigen Arbeit. Und man sieht hinterher genau, was man geschafft hat. Im Garten geht alles immer weiter. Mal ist nichts mehr da - dann ist alles wieder da", sagt Ulla Hahn.