Abendblatt-Autorin Irene Jung hat Hamburgern mit grünem Daumen über den Zaun geschaut. Erste Folge: Antje Gebauers Familien-Oase in Altona.
Mitten im Blankeneser Treppenviertel zieht eine Familie ihren eigenen Wein. In einem Eppendorfer Hinterhof hat ein Kameramann seine internationalen Pflanzenträume verwirklicht. In Volksdorf legten zwei Nachbarinnen Bauerngärten an, und im Karoviertel pflanzen Anwohner in Industriekörben kollektiv ihr eigenes Gemüse ...
Die Begeisterung der Hamburger fürs Grüne ist genauso groß wie die Vielfalt der grünen Oasen in der Stadt: Menschen in jedem Alter gestalten mit Fantasie und Passion ein Fleckchen Erde. Vor zwei Jahren begann Abendblatt-Autorin Irene Jung, diese Vielfalt genauer zu erkunden. Seither ist sie durch zahlreiche private Gartenpforten getreten, hat sich Hochbeete und Rosenbögen erklären lassen, beim Teichbau und Obstbaumschnitt zugeschaut. Und sie hat die Menschen kennengelernt, die ihre jeweils eigene Garten-Geschichte erzählten - oft mit hohem Wiedererkennungswert für andere. Denn ein Garten ist immer eine Herausforderung mit vielen Überraschungen. Aus den Porträts entstand das Buch "Hamburger und ihre Gärten - Von Laubenpiepern, Guerillagärtnern und Rosenfans". In einer sechsteiligen Serie von Buchauszügen, die am Montag im Lokalteil fortgesetzt wird, können Sie sich von der Gartenlust anderer anstecken lassen. Zum Beispiel von Antje Gebauer.
Auf der kleinen Veranda zur Terrasse stapeln sich Gummistiefel, Regenjacken, Gartenspielzeug, selbst gebastelte Windmühlen und Tontöpfe. Eben alles, was man bei einem viel genutzten Garten rein- und wieder rausschleppt. Der Garten hinter dem alten Mehrfamilien-Mietshaus in der Friedensallee ist nicht groß, nur neun Meter breit und 17 Meter lang. Aber Antje Gebauer hat schon ihre eigene Kindheit hier verbracht. Heute erlebt sie, wie ihre drei Kinder den Garten in Besitz nehmen.
Ein Familiengarten unterscheidet sich von den Gärten der Singles oder Paare. Er trägt die Spuren mehrerer Generationen, er verändert sich mit jeder jüngeren, aber er bewahrt auch Erinnerungen. "Meine Eltern sind 1970 hierher gezogen, als ich ein Jahr alt war", erzählt Antje Gebauer. Damals pflanzte ihr Vater am Zaun eine Reihe von Tannen als Sichtschutz.
Als Antje Gebauer heiratete und mit ihrem Mann zu ihrer verwitweten Mutter zog, waren "Vaters geheiligte Tannen" zweieinhalb Meter hoch, schluckten viel Wasser und nahmen dem Nachbarn viel Licht. "Mithilfe des Nachbarn haben wir sie dann gefällt. Damit haben wir Platz für Büsche und Beete gewonnen." Auch ein Birnbaum ihrer Kindheit musste weichen, weil er morsch war. Der Stamm dient jetzt als Haltepfahl für die Hängematte, die sich zur zweiten alten Birne spannt.
Ein Glücksfall ist die Südlage des Gartens. "Obwohl mitten in Altona, haben wir den ganzen Tag Sonne, sogar abends", sagt Antje Gebauer. Rosen, ein Rhododendron, Iris, Akelei und eine Hortensie blühen rings um den Rasen, überall strecken Erdbeeren ihre Blätter unter den Stauden hervor. Auf der Terrasse: ein aufblasbares Schwimmbecken, Spielzeug, die Sitzbank mit dem Tisch. Hier wird "gegrillt und Fußball geguckt". Und von hier gucken Mutter Antje, Vater Frank, die beiden Söhne Jakob und Jesse, 10 und 13, und Tochter Jarla, 6, über den Rasen bis zum Geräteschuppen am Ende des Gartens unter einem großen Haselbusch. In einem kleinen Gehege wohnen die Kaninchen Flocke und Muckel, zwei Deutsche Riesen. Ein mächtiger Walnussbaum beschirmt die rechte Gartenseite mit seiner Laubkrone, ohne viel Licht zu nehmen.
Ein Birnbaum zum Klettern, Rasen zum Fußballspielen und Feuermachen, eine Hängematte zum Lesen oder Kaninchen-Kuscheln - diesen Spiel-Raum für ihre Kinder schätzt Antje Gebauer nicht nur, weil sie Erzieherin ist. "Wir ernten zusammen Birnen und machen daraus Marmelade", sagt sie. "Der Walnussbaum trägt jeden Herbst so viele Nüsse, dass wir außer dem Selberessen noch welche verschenken können."
Im vorigen Jahr hat jedes Kind seine eigenen Tomaten gepflanzt, Cocktail-, Kirsch- und Strauchtomaten, und natürlich auch gegessen. Ein Igel schnauft abends an der Hecke, ein Eichhörnchen kommt regelmäßig, und sogar ein Buntspecht besucht die Bäume. "Es ist toll, in der Großstadt einen Specht zu hören", sagt Antje Gebauer.
Lesen Sie am Montag: Zwei Bauerngärten in Volksdorf