Höhere Pegel vielerorts: Gutachter befürchtet Millionenschäden. Grund ist allerdings nicht der Klimawandel, sondern die deutlich gesunkene Wasserförderung.

Hamburg. Als der große Wohnkomplex Ende der 1970er-Jahre in Eidelstedt gebaut worden war, lag der Grundwasserstand dort gut fünf Meter tief. Trotz der Entfernung war sich der Hamburger Baugutachter Jens Peter Wagner sicher, Wasser zu finden bei einer Bohrung im Beton der Tiefgarage. Die Ursache der Feuchtigkeitsschäden sollte er dort untersuchen - das Probeloch gab schnell die Antwort: Blankes Wasser sprudelte ihm entgegen. Der von vielen Experten durch einen möglichen Klimawandel befürchtete Grundwasseranstieg - er ist in Hamburg schon längst da, sagt Gutachter Wagner, der in jüngster Zeit immer wieder mit solchen Schäden zu tun hat. Folge seien vernässte Keller und Probleme mit der Statik der betroffenen Gebäuden, weil der Boden durchweicht werde. "Millionenschäden" gebe es schon jetzt. Und es dürfte noch weit schlimmer kommen. "Da rollt förmlich eine Flutwelle auf uns zu", sagt Wagner.

Allerdings hat der Grundwasseranstieg nichts mit einem veränderten Klima zu tun, sagt der Ingenieur und Geologe. Ursache sei viel mehr eine Veränderung bei der Förderung von Trinkwasser in Hamburg.

Das bestätigt die Umweltbehörde und liefert Zahlen: Seit 1974 hat sich demnach die Fördermenge in Hamburg von nicht ganz 200 Millionen Kubikmetern pro Jahr auf knapp 90 Millionen mehr als halbiert. Der Verbrauch von Trinkwasser, aber auch die Grundwassernutzung durch Industrie und Gewerbe ist drastisch zurückgegangen. Neben besserer Technik bei Haushaltsgeräten dürfte laut Umweltbehörde dazu vor allem beigetragen haben, dass erst Ende der 80er-Jahre Wasserzähler in Hamburg eingeführt wurden. Vorher gab es eine pauschale Berechnung, die offenbar nicht gerade zum sparsamen Umgang animierte. Auch die Sanierung der Hamburger Siele habe zu einem Anstieg beigetragen, weil zuvor Grundwasser in die maroden Leitungen gesickert war, heißt es bei den Wasserexperten in der Behörde, die wie Wagner von einem weiteren Anstieg des Grundwassers an vielen Ecken der Stadt ausgehen. Ein Problem, das in einigen deutschen Großstädten, aber auch manchen Landgemeinden etwa in Hessen bekannt ist. Überall dort, wo es vor Jahrzehnten praktisch einen künstlich niedrigen Grundwasserstand gegeben hat. Eben auch in Hamburg: Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird in der Hansestadt Grundwasser zur Trinkwasserförderung genutzt, seit den 1960er-Jahren sogar ausschließlich. Und es wurde früher mehr gefördert, als sich in oberflächennahen Schichten durch Niederschläge wieder bilden konnte. Mit der Veränderung der Förderung, etwa bei der Aufgabe von Flachbrunnen, steigt der Pegel wieder an. Nicht überall: Mancherorts sperrt eine dichte Bodenschicht das Grundwasser förmlich ab, an anderen Stellen kann es wiederum besonders nach heftigen Regenfällen bis zur Oberfläche dringen. "Das ist ein schleichender Prozess", sagt Wagner.

1995 kam es im Süden Hamburgs dadurch erstmals zu vielen massiven Kellerschäden. Auch 2008 und 2012 traten nach vielen Regenfällen die Probleme wieder vermehrt auf. Betroffen sind laut Behörde vor allem Gebiete in der Nähe von Förderbrunnen: In Rissen, im Bereich Stellingen-Eidelstedt, in der Süderelbmarsch.

Die Hamburger Behörden richteten ein neues Netz von Messpunkten ein, gaben eine Broschüre zum Bauen bei Grundwasser heraus - und das geologische Landesamt entwickelte für Planer eine spezielle Karte, die besonders hohe Grundwasserstände anzeigt. Heute lässt sich auf den Anstieg des Grundwassers reagieren, indem man beispielsweise Keller mit wasserdichtem Beton baut. Der ist zwar fast dreimal so teuer wie ein normaler Keller - bewahrt aber vor einer nassen Überraschung.

Anders ist es mit alten Bauwerken. "Wer konnte denn in den 1970er- oder 80er-Jahren ahnen, dass das Grundwasser so weit ansteigt?", fragt Wagner. Für die Hamburger Wasserwerke (Heute Hamburg Wasser) ist der Fall klar. "Wir sind nur für die Trinkwassergewinnung zuständig, eine Grundwasserregulierung dürfen wir rechtlich gar nicht betreiben", sagt Sprecher Matthias Sobotka. Folglich sei die Stadt auch nicht haftbar. Ähnlich argumentiert die Umweltbehörde.

Meist bleiben daher Hausbesitzer auf den Kosten sitzen, weil Baufirmen nach fünf Jahren aus Gewährleistungshaftung heraus sind. Was nicht billig für die Betroffenen ist: Die Sanierung eines Einfamilienhauskellers kostet etwa gut 30.000 Euro, schätzt Wagner, der eine andere Auffassung über die Haftung vertritt. "Da müssen in Zukunft noch einige juristische Fragen geklärt werden", sagt er. Zumal die Schäden zunehmen würden. Man müsse sich nur vergegenwärtigen, wie viele kleine, längst versiegte und überbaute Flüsse und Bäche es früher im von Alster, Elbe und Bille geprägten Stadtgebiet gegeben habe. Überall dort lauert aus Wagners Sicht die nasse Gefahr aus der Tiefe. "Wer an Straßen wohnt, die auf Moor, Bach oder Bek enden, sollte sich Gedanken machen", sagt er. Als er mit Büro und Wohnung vor einiger Zeit wieder von Cuxhaven zurück nach Hamburg gezogen ist, hat er sich jedenfalls die geologischen und historischen Flurkarten der Stadt genau angesehen - und Oldenfelde als Standort ausgesucht. Hoch, trocken und weit weg von früherem Grundwasserspiegel.