Die Steueraffäre zerstört das Bild von Uli Hoeneß als unerschrockenen Wohltäter

Es war ein Winterabend im Februar 2011, als sich im Börsensaal der Handelskammer mehr als 1000 Gäste erhoben und den Mann feierten, der den Ehrenpreis der Hamburger Sportgala erhalten hatte. Wer Uli Hoeneß in diesem Moment beobachtete, konnte sehen, dass seine Augen verdächtig feucht wurden. Der Präsident des FC Bayern war gerührt ob der Ovationen für seine maßgebliche Beteiligung an der "Retter"-Kampagne für den 2003 fast insolventen FC St. Pauli.

Wer diese Bilder noch im Kopf hat, mag erahnen, aus welcher Flughöhe Uli Hoeneß durch seine Steueraffäre gestürzt ist. Sicher, massive Probleme mit dem Fiskus haben auch andere Prominente eingeholt. Der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel wurde ebenso wie Tennis-Held Boris Becker oder Schlagerstar Freddy Quinn zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, Peter Graf saß in Haft, weil er Siegprämien seiner Tochter Steffi am Finanzamt vorbeigeschleust hatte.

Und doch liegt der Fall Hoeneß anders. Denn der Macher des FC Bayern, der den Club in drei Manager-Jahrzehnten zum wirtschaftlich erfolgreichsten Verein der Welt formte, war weit mehr als nur ein erfolgreicher Geschäftsmann. Hoeneß entwickelte sich zu einer moralischen Instanz in Deutschland. In Talkshows prangerte er die Gier der Banker an ("Ich würde mich freuen, wenn diese Leute endlich mal wieder schlaflose Nächte wegen ihrer Kunden und nicht wegen ihrer Boni haben"), attackierte den Chef des Weltfußballverbands Fifa, Joseph Blatter ("Er muss erklären, wie er diesen Sumpf austrocknen will") und kämpfte gegen Ausbeuter ("Wer Leute für fünf Euro die Stunden für sich schuften lässt, ist fast ein Verbrecher").

Wer so austeilt, darf sich selbst kaum einen Fehltritt erlauben - und definitiv kein Verfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Nicht einer wie Uli Hoeneß, der polarisiert wie kein anderer deutscher Fußball-Funktionär. Mancher Weggefährte und Freund, der ihn wegen seiner unbestreitbaren sozialen Ader immer verteidigte, wird sich nun abwenden. Denn wen interessiert noch, dass Hoeneß einst den alkoholkranken ehemaligen "Bomber der Nation", Gerd Müller, in die Entzugsklinik karrte und den früheren Bayern-Stürmer Lars Lunde nach dessen schwerem Autounfall bei sich wohnen ließ? Dagegen können seine Gegner frohlocken. Dass ausgerechnet Christoph Daum jetzt säuselt, er habe Mitleid mit dem armen Uli, klingt wie Hohn. Die beiden sind sich spinnefeind, seitdem vor allem durch das Zutun Hoeneß' Daums Koks-Affäre aufflog.

Dieser Image-GAU ist nicht zu reparieren, unabhängig vom weiteren Gang des Verfahrens. Wie soll Hoeneß künftig glaubhaft das Finanzgebaren der Konkurrenz anprangern? Wer wird ihn noch für 20.000 Euro Tagesgage, die Hoeneß stets stiftete, als Redner verpflichten? Selbst der Gang in sein Wohnzimmer, die Allianz-Arena, würde künftig zum Spießrutenlaufen. Und sollte er rechtskräftig verurteilt werden, womöglich zu einer Haftstrafe, wäre ein Rücktritt als Bayern-Präsident unausweichlich.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Hoeneß darf kein Mitleid erwarten, er hat sich selbst in seine katastrophale Lage manövriert. Die Frage, warum ein vielfacher Millionär seinen Ruf, sein Vermögen, ja sogar seine Freiheit riskiert, um Steuern zu sparen, kann nur er beantworten.

Kurz vor seiner Ehrung bei der Sportgala hatte Hoeneß noch mit dem Abendblatt über seinen Imagewandel gesprochen. Mit der tiefen Befriedigung eines Mannes, der mit sich selbst im Reinen ist, lehnte er sich weit in den Rattansessel in seinem Büro zurück und sagte: "Ich wundere mich, wie beliebt ich plötzlich bin."

Das schöne Bild vom unerschrockenen Gutmenschen hat er nun selbst zerstört.