Studie von HWWI und Berenberg: Hansestadt sollte mehr in Infrastruktur investieren und braucht innovative Industrie. Auch bei der Internationalität findet sich die Stadt nicht an der Spitze.

Hamburg. Für Thomas Straubhaar gibt es keinen Zweifel: "Alle Städte sind Gewinner. Es findet bei jungen Menschen eine Landflucht statt", lautet die Kernerkenntnis des Direktors des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). "Auf dem Land steigt das Durchschnittsalter daher an." Die Demografie sorge für eine immer stärkere Polarisierung: "In den Städten wandern junge Menschen zu, und sie sind es schließlich, die Kinder haben."

Diese Tendenz könne man weltweit beobachten. Doch schon jetzt könnten Städte auch in wirtschaftlicher Hinsicht ihre Stärken ausspielen, wie eine aktuelle Untersuchung für Deutschland zeige: Die 30 größten Städte konnten sich schneller von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholen als die Bundesrepublik insgesamt. Das geht aus dem jüngsten Städteranking des HWWI und des Bankhauses Berenberg hervor.

In der Studie, die die Zukunftsperspektiven der Städte untersucht, ist Hamburg gegenüber den vorherigen Untersuchungen in den Jahren 2008 und 2010, in denen die norddeutsche Metropole jeweils den siebten Platz in der Rangliste belegte, auf Position elf abgestiegen.

Um künftig wieder den Anschluss an die Spitze zu gewinnen, müsse die Hansestadt auf die "vier I-Begriffe" achten, so der HWWI-Direktor: Infrastruktur, Industrie, Internationalität, Immobilien. Im Hinblick auf die Erreichbarkeit, gemessen an der Reisezeit zu 41 europäischen Ballungszentren, liegt Hamburg nur auf Rang zwölf der Liste. Auch bei der Internationalität findet sich die Stadt nicht an der Spitze: Beim Anteil der ausländischen Studenten (11,2 Prozent) schafft es Hamburg sogar nur auf Rang 20.

"Erfolgreiche Städte zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch attraktive Standortbedingungen Unternehmen und Menschen anziehen", sagt Hans-Walter Peters, Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter von Berenberg. "Vor allem hängt der Erfolg davon ab, wie der ökonomische Strukturwandel hin zu wissensintensiven Dienstleistungsbranchen und forschungsintensiven Industrien vollzogen werden kann." Nimmt man den Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss zum Maßstab, liegt Hamburg mit 14,1 Prozent allerdings nur im Mittelfeld. München und Stuttgart erreichen hier mit 22 Prozent die besten Ergebnisse.

Beim Kriterium der Wirtschaftskraft kann Hamburg mit einem starken industriellen Kern - dies ist vor allem die Luftfahrtindustrie - punkten. Seine Innovationskraft gelte es in den nächsten Jahren noch zu stärken, so Straubhaar. Ganz allgemein aber seien die Städte die Motoren der deutschen Wirtschaft. So hat der Studie zufolge die Zahl der Erwerbstätigen in Hamburg von 2005 bis 2010 um mehr als 6,5 Prozent zugenommen, im Bundesschnitt aber nur um 4,4 Prozent. Zur Gewinnung der für weiteres Wachstum benötigten Arbeitskräfte sind die Städte allerdings auf Zuwanderung angewiesen - und hier schneidet Hamburg gut ab: Nur München und Berlin zogen in den Jahren 2005 bis 2011 mehr Neubürger an. Ohne Zuwanderer jedoch würden auch diese Metropolen schrumpfen, denn in allen 30 Städten liegt die Geburtenrate unter dem Schwellenwert, der für eine konstant bleibende Einwohnerzahl ausreichen würde.

Voraussetzung für eine wachsende Stadt ist eine hinreichende Ausstattung mit Wohnraum - hier kommt der vierte der "I"-Begriffe, die für Hamburg wichtig sind, ins Spiel. Die Preise für Immobilien sind hier in den zurückliegenden Jahren sehr stark gestiegen; Hamburg hat neben München und Frankfurt die höchsten Immobilienpreise in Deutschland. Überteuert sei der Wohnraum in der Hansestadt dennoch nicht, sagt Ken Zipse, Leiter des Real Estate Office bei Berenberg: "Der Leerstand ist sehr gering und die Nachfrage sehr hoch, insbesondere verbunden mit der starken Kaufkraft und der sehr guten Lebensqualität. Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass sich eine Preisblase bildet." In Hamburg gebe es grundsätzlich noch genügend Flächen für den Wohnungsbau. Für die Baugenehmigungen müsse allerdings die zuständige Behörde sorgen - und hier sei zuletzt ein Aufwärtstrend erkennbar, so Zipse. Nicht zuletzt die Internationale Bauausstellung (IBA) kann nach Auffassung von Straubhaar Anregungen liefern, wie neue Quartiere erschlossen werden können: "Hamburg hat hier noch unglaubliches Innovationspotenzial."

Im Rahmen der Studie gelang mehreren Städten eine bemerkenswerte Verbesserung im Ranking. Als "Aufsteiger des Jahres" sieht der HWWI-Direktor Essen: "Dort hat man den Transformationsprozess der Wirtschaft, die früher stark von der Kohle- und Stahlerzeugung geprägt war, zu einer wissens- und dienstleistungsorientierten Stadt geschafft." Stuttgart habe von einem Konjunktureffekt profitiert: "Die Stadt war in der vorherigen Untersuchung wegen der Krise im Automobilsektor zurückgefallen, gehört jetzt aber wieder zu den Zugpferden." Berlin werde international inzwischen klar als die deutsche Metropole wahrgenommen und ziehe auch immer mehr Firmenzentralen an. "Die Hauptstadt dürfte in den nächsten Jahren eher noch weiter aufsteigen", erwartet Straubhaar.