Die Verschwendung von Nahrung fängt im Kopf an. Ein Umdenken ist bitter nötig

Viele Millionen Tonnen Lebensmittel wandern in den Industriestaaten alljährlich in den Müll. Gleichzeitig leiden in anderen Teilen der Welt eine knappe Milliarde Menschen Hunger. Diese Diskrepanz spiegelt ein Verteilungsproblem wider, das seit Jahrzehnten diskutiert wird, ohne dass sich die Situation großartig bessert. Allerdings wird eines immer deutlicher: Die Verbraucher der wohlhabenden Länder haben es in der Hand, zumindest die Verschwendung zu beschränken.

Die industrielle Landwirtschaft und nachfolgende Wirtschaftszweige entlang der Versorgungskette haben erreicht, dass Lebensmittel jederzeit in großer Fülle zur Verfügung stehen. Und das zum Teil zu einem Spottpreis, bei dem sich jeder aufmerksame Kunde fragt, wie die Ware überhaupt zu diesem Preis erzeugt werden konnte. Das Überangebot - nicht nur im Billigsegment - hat die Wertschätzung von Nahrungsmitteln untergraben. Ein altes Brot ist schnell weggeworfen, beim Laden um die Ecke gibt es fast zu jeder Zeit ein neues. Mit dem Brotrest wandern reife Bananen, deren Schalen erste braune Flecken zeigen, in die Tonne, ebenso Salatköpfe, deren äußere Blätter verwelkt sind. Und selbst der ungeöffnete Joghurtbecher mit leicht überschrittenem Haltbarkeitsdatum landet im Müll, ohne dass überhaupt nachgeschaut wird, ob der Inhalt noch genießbar ist.

Keines dieser Produkte ist per se verdorben. Hersteller und Handel profitieren von dieser Wegwerf-Mentalität, denn sie können dadurch mehr Ware verkaufen. Die Unternehmen werden darauf bedacht sein, eigene Lebensmittelverluste zu minimieren, denn das spart Kosten. Daran, dass die Endverbraucher sorgsamer mit Nahrungsmitteln umgehen, können sie dagegen nicht interessiert sein. Wohl aber die Verbraucher. Denn neben der ethischen Frage schlägt sich die Verschwendung auch im Portemonnaie nieder: Im Schnitt gibt jeder Konsument jährlich fast 240 Euro für Nahrungsmittel aus, die er mehr oder weniger unbedacht in den Müll wirft.

Verschiedene Institutionen, darunter das Bundeslandwirtschaftsministerium, Verbraucherzentralen und die Genießerorganisation Slow Food, kämpfen für die Rettung von Lebensmitteln. Sie nennen Rezepte zur Resteverwertung, propagieren Tauschbörsen im Internet, vermitteln Nahrungsmittelspenden an soziale Einrichtungen. Das ist alles sehr löblich, doch es geht noch mehr.

Fleischesser sollten sich beispielsweise bewusst werden, dass ein Schwein oder Rind (Gott sei Dank) nicht nur aus Schnitzeln, Filets und Schinken besteht. Es müssen ja nicht gleich Innereien sein: Auch die verstärkte Nachfrage von Schulter und Ochsenschwanz, Blutwurst und Sülze trägt dazu bei, dass auf den Schlachthöfen weniger essbare Teile der Lebens- und Futtermittelversorgung entzogen werden.

Seit der BSE-Krise dürfen Schlachtabfälle nicht einmal mehr zu Tierfutter verarbeitet werden. Deshalb wird derzeit ein Großteil sogenannter Schlachtnebenprodukte bestenfalls zu technischen Fetten oder Biodiesel, zu Biogas oder Dünger.

Da Fleisch besonders aufwendig produziert wird, sind hier die Verluste besonders schmerzlich. Es werden dazu Tiere getötet. Sie wuchsen zuvor mit einem großen Einsatz von Futtermitteln und Trinkwasser heran. Der Fleischkonsum hinterlässt einen größeren ökologischen Fußabdruck als der Genuss von pflanzlicher Kost. Das gilt auch für die Klimabelastung.

Ein weiteres Konfliktfeld bietet der Anbau von pflanzlichen Energieträgern zur Produktion von Biogas und -diesel. Hier geht es oft um die Flächenkonkurrenz zum Nahrungsmittelanbau, um "Tank oder Teller". Auch in dieser Hinsicht ist die Vernichtung von Lebensmitteln nicht vertretbar - sie verschwendet auch Anbaufläche.