In Hamburg soll jeder neunte Mitarbeiter gehen. Sogar betriebsbedingte Kündigungen werden erstmals nicht ausgeschlossen.

Hamburg. Betretene Gesichter im Unilever-Haus in der HafenCity. Deutschland-Chef Harry Brouwer teilte den rund 1000 Mitarbeitern in Hamburg am Dienstag mit, dass das Unternehmen 110 Stellen in der Verwaltung streichen wird. Hinzu kommen 290 bereits angekündigte weitere Arbeitsplätze, die bundesweit sowie in Österreich und der Schweiz wegfallen sollen. "Mit dem Ziel, nachhaltiges Wachstum zu sichern, wird Unilever Deutschland die operativen Strukturen verändern. Dazu wird das Unternehmen Schnittstellen reduzieren, Prozesse vereinfachen und gleichzeitig mit Investitionen die Marken stärken", so Brouwer in Managerdeutsch. Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung laufen offenbar bereits.

Einen Zeitplan gibt es offenbar noch nicht. Der Konzern hat es sich zum Ziel gesetzt, den Umsatz global zu verdoppeln und die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren, heißt es nur. "Zu diesem Ziel wollen wir auch in Deutschland beitragen und weiterhin nachhaltig wachsen. Dafür müssen wir agiler und effizienter werden sowie die Komplexität unserer Organisation verringern. Wie in der Vergangenheit werden wir alles tun, um diesen Stellenabbau so sozial verträglich wie möglich zu gestalten", sagte Brouwer.

"Erstmals werden auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen. Wir sind bestürzt", sagte der Gesamtbetriebsratschef Hermann Soggeberg. "Weltweit betrachtet blicken wir auf das erfolgreichste Jahr der Konzerngeschichte zurück." In Deutschland seien die vergangenen zwölf Monate zwar nicht immer einfach gewesen. "Aber das Unternehmen war auch hier profitabel. Es ist völlig unverständlich, warum man jetzt einen solchen drastischen Schritt macht. Wir werden das nicht so einfach hinnehmen."

Auch Bärbel Stricker, Vorsitzende des Betriebsrats in der Unilever-Hauptverwaltung in Hamburg, zeigte sich enttäuscht und entsetzt: "Wieder geht es nur ums Köpfezählen. Mehr fällt ihnen nicht ein, das ist ein Armutszeugnis. Der heutige Tag zeugt auch von der fehlenden Weitsicht des Managements. Vor kaum vier Jahren wurde hier in der Hamburger HafenCity noch massiv investiert, das Unilever-Haus ist eines der modernsten Bürogebäude in ganz Europa. Wenn die Konzernführung Ernst macht, kann man bald zwei Etagen im Haus vermieten, sie stehen dann leer." Franz-Josef Möllenberg, Chef der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten NGG, warf dem Unternehmen vor, dass mit Begriffen wie "Verschlankung der Organisation" bei Unilever die sinnlose Vernichtung von Arbeitsplätzen schöngeredet werde.

Viele der Hamburger Mitarbeiter waren am Dienstag nach der Ankündigung des Unilever-Chefs geschockt, zumal es Unilever ökonomisch nicht schlecht geht. Im Geschäftsjahr 2012 machte der Konsumgüterkonzern (Rama, Knorr, Dove, Magnum) erstmals mehr als 50 Milliarden Euro Umsatz. Der Gewinn lag bei knapp 4,5 Milliarden Euro. Allerdings verkauft das Unternehmen inzwischen immer mehr Waren in Schwellenländern, etwa in Asien, während das Geschäft in Europa schleppender verläuft. Zum Beispiel in Spanien, Griechenland oder Portugal haben viele Menschen nicht mehr genug Geld, um Dove-Lotions oder Axe-Deos zu kaufen.

Unilever schrumpft schon seit Jahrzehnten in Deutschland, fast geräuschlos. 1985 arbeiteten bei dem Unternehmen noch nahezu 30.000 Mitarbeiter, 2002 waren es noch 10.000. Doch seither hat sich viel verändert. Im Jahr 2000 erlebten die deutschen Mitarbeiter den vorläufigen Höhepunkt des Kahlschlags. Damals beschloss Unilever, seine bislang 1600 Marken auf nur noch 400 zu konzentrieren und alle Kraft auf deren Wachstum zu setzen. Marken wie Dextro Energie, Intermezzo, Bistro, Livio, Palmin, Biskin, die gesamte Parfümsparte sowie die Deutsche See, der Marktführer für Fisch und Meeresfrüchte, wurden verkauft - ebenso der Tiefkühlkostspezialist Iglo. Inzwischen arbeiten nur noch rund 1500 Beschäftigte für das Unternehmen in Deutschland.

Die Konsumgüterbranche leidet unter der Euro-Krise. So trennte sich auch der Pflege- und Waschmittelkonzern Henkel, der zu den Wettbewerbern von Unilever zählt, 2012 nach einem Konzernumbau von 655 Beschäftigten.

"Warum handelt Unilever nicht antizyklisch und investiert in Innovationen und Mitarbeiter", fragt Soggeberg. Gerade in Zeiten des demografischen Wandels sollte sich der Konzern besser verhalten als andere Unternehmen. Unilever stufe sich selbst als nachhaltig ein. "Das heißt gerade nicht, dass man Menschen, die den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens begründet haben, reihenweise auf die Straße setzt. Die Betriebsräte und die Gewerkschaft NGG werden um jeden einzelnen Arbeitplatz kämpfen", so Möllenberg.