Hapag-Lloyd und Hamburg Süd haben ihre Fusion vorerst abgesagt. Doch weder die Politik noch die Unternehmen machen die Tür ganz zu

Hamburg. Das überraschende Scheitern der geplanten Fusion von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd wirft in der Schifffahrtswirtschaft viele Fragen auf. Insbesondere die Zukunft von Hapag-Lloyd ist unklar. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) betonte zwar, beide Reedereien könnten auch allein erfolgreich sein. Er machte aber auch deutlich, dass sich die Gesellschafterstruktur von Hapag-Lloyd überlebt hat. Das Konsortium Albert Ballin, größter Aktionär der Traditionsreederei, soll Ende dieses Jahres aufgelöst werden. Und auch Hamburg Süd ist offenbar weiter an einem Zusammenschluss interessiert. Das Abendblatt dokumentiert die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem geplatzten Deal.

Warum sind die Gespräche gescheitert?

Die beiden Reedereien haben eine unterschiedliche Unternehmenskultur. Auf der einen Seite steht der Oetker-Konzern, ein stringent geführtes Familienunternehmen. Auf der anderen Seite findet man mit Hapag-Lloyd eine Reederei, die mit dem Konsortium Albert Ballin und der TUI mehrere Anteilseigner hat, deren größter die Stadt selbst ist. Dieser Unterschied hat die Gespräche von Anfang an belastet. Öffentlich wollten sich die Unternehmen am Montag nicht über das Scheitern der Fusion äußern. Hinter den Kulissen wird jedoch kolportiert, dass Klaus-Michael Kühne den Rückzug von Oetker provoziert habe. Der Machtkampf zwischen dem verschwiegenen Familienunternehmen Oetker und dem streitbaren, selbstbewussten Mehrheitseigner des Schweizer Logistikkonzerns Kühne + Nagel hatte sich früh abgezeichnet.

Kühne hatte erst im vergangenen Jahr seinen Anteil bei Hapag-Lloyd auf 28 Prozent aufgestockt, sein Anteil wäre aber bei einer Fusion auf deutlich weniger als 20 Prozent gefallen. Dennoch habe Kühne ein Vetorecht reklamiert, wie ein Unternehmensinsider berichtete. Spätestens als Kühne vor zwei Wochen Forderungen nach einer "Fusion unter Gleichen" aufstellte und einen späteren Börsengang eines fusionierten Schifffahrtskonzerns forderte, war die Unberechenbarkeit des Ballin-Konsortiums deutlich geworden. "Ich gehe von einer Parität zu Anfang aus", hatte Kühne gesagt. "Kein Gesellschafter sollte zunächst den anderen beherrschen." Hapag-Lloyd-Aufsichtsratschef Jürgen Weber rief Kühne daraufhin ungewöhnlich scharf zur Ordnung: Die Äußerungen seien die "Meinung eines einzelnen Anteilseigners".

Gerät Hapag-Lloyd jetzt in Gefahr?

Das Unternehmen leidet seit Jahren unter der globalen Konjunkturschwäche, den Überkapazitäten auf dem Markt und den gestiegenen Treibstoffkosten. Die Reederei hat 1,7 Milliarden Euro Schulden und im vergangenen Jahr einen Konzernverlust von 128 Millionen Euro erwirtschaftet. Operativ macht das Unternehmen aber wieder Gewinn und konnte bei seinen Kunden kürzlich sogar höhere Frachtraten durchsetzen. Zudem zeichnet sich eine Verbesserung der Lage in der Branche spätestens ab 2014 ab. Hapag-Lloyd ist derzeit also nicht in Gefahr, insolvent zu gehen. Auch eine feindliche Übernahme und Zerschlagung des Unternehmens ist seit der Gründung des Gesellschafterkonsortiums vorerst ausgeschlossen.

Die Stadt ist mit 37 Prozent größter Anteilseigner und hat ein grundlegendes Interesse daran, das Unternehmen an Hamburg zu binden. "Wir wollen unsere Anteile im bisherigen Umfang nicht langfristig halten. Bei einem Verkauf kommt es aber darauf an, dass der Käufer den Interessen der Stadt und des Wirtschaftsstandortes gerecht wird. Eine zeitliche Vorgabe gibt es dazu nicht", sagte Tschentscher.

Wen trifft das Scheitern schwerer?

Beide Reedereien leiden unter der Schifffahrtskrise und müssen einen Konzentrationsprozess verkraften: Hamburg Süd ist derzeit die Nummer zwölf der Reedereien und ohne Partner unterwegs. Hapag-Lloyd ist hingegen in der großen G6-Allianz mit den Reedereien APL, Hyundai Merchant Marine, Mitsui O.S.K Lines, Nippon Yusen Kaisha und Orient Overseas Container Line zusammengeschlossen. Das Unternehmen konnte seine Destinationen um 40 Prozent und die Zahl der wöchentlichen Abfahrten um 70 Prozent erhöhen, ohne ein einziges Schiff zusätzlich zu chartern. Der Schifffahrtsanalyst Thomas Wybierek von der Nord LB glaubt dennoch, dass Hapag-Lloyd die entgangene Chance stärker schmerzen dürfte: "Hamburg Süd ist auf der Nord-Süd-Route nach Südamerika gut aufgestellt. Hapag-Lloyd muss sich auf der Ost-West-Route von Asien nach Europa mit vielen Wettbewerbern auseinandersetzen. Ob da weiterhin höhere Frachtraten durchsetzbar sind, ist offen", so Wybierek.

Sind nun andere Fusionen denkbar?

Angesichts des allgemeinen Konzentrationsprozesses schauen derzeit alle Reedereien nach geeigneten Partnern. Für Hapag-Lloyd werden aber noch andere Optionen verhandelt, zumal die Stadt ihr Engagement verringern und der Reisekonzern TUI, der noch 22 Prozent der Stimmrechte hält, sich auf das Touristikgeschäft konzentrieren will. TUI hat das Recht, seinen Anteil zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Derzeit wäre dies allerdings, wenn überhaupt, nur unter Wert möglich, da Hapag-Lloyd Verluste einfährt. Ein solcher Börsengang würde einem neuerlichen Fusionsversuch mit Hamburg Süd allerdings nicht unbedingt entgegenstehen. Das Unternehmen teilte am Mittwoch mit, dass Oetker einen solchen Börsengang der fusionierten neuen Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen durchaus befürworten würde. Zudem öffnete das Unternehmen die Tür für einen weiteren Fusionsversuch: "Der Beirat und die Geschäftsführung von Hamburg Süd sind weiterhin davon überzeugt, dass der Zusammenschluss von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd für beide Unternehmen wie auch für den Schifffahrtsstandort Hamburg von außerordentlich großem Nutzen wäre", hieß es in einer Erklärung.

Was sagen die Experten?

"Mit der geplatzten Fusion ist ein Hoffnungsschimmer weg. Die beiden Reedereien hätten die Chance gehabt, gemeinsam zur Nummer vier in der Welt aufzusteigen. Jetzt müssen sie alleine weitermachen und sich im Markt durchsetzen", sagt Nord-LB-Analyst Thomas Wybierek. Auch er geht davon aus, dass für Hapag-Lloyd ein möglicher Börsengang in den Vordergrund des Interesses rückt. "Aus unserer Sicht ist das nur die zweitbeste Lösung, zumal das sicherlich kein Selbstläufer wird, nachdem bereits drei Anläufe (der letzte 2011) misslungen sind und eine eindeutige Trendumkehr in der Containerschifffahrt im laufenden Jahr noch nicht absehbar ist", so Wybierek.

Wie reagierte die Stadt?

Alle Parteien hatten in die mögliche Fusion Hoffnungen gesetzt. Entsprechend harsch fielen die Kommentare aus. Die Opposition hielt dem SPD-Senat vor, er habe bei dem Thema Hapag-Lloyd versagt. Finanzsenator Tschentscher erklärte hingegen: "Wir sehen die Fusion nicht grundsätzlich als gescheitert an, sondern sind jederzeit offen für eine Wiederaufnahme der Projektarbeiten." Auch Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) geht davon aus, dass das letzte Wort über das Thema noch nicht gesprochen ist. "Die Stadt wird sich weiter bemühen und daran arbeiten, die Unternehmen zusammenzubringen. Allerdings wird dieses Ziel nicht einfach zu erreichen sein."