Staatsanwalt ermittelt. 29-jähriger Norderstedter fristlos entlassen. Kita-Eltern in Schnelsen und Norderstedt in großer Sorge.

Schnelsen/Norderstedt. Viele Eltern sind geschockt, alle in großer Sorge: Stefan H., der bis Januar als Erzieher in einer kirchlichen Kita in Schnelsen arbeitete und seitdem in Norderstedt tätig war, soll ein vierjähriges Mädchen missbraucht haben. Vor wenigen Tagen erfuhren Eltern und Mitarbeiter, dass die Kieler Staatsanwaltschaft gegen den 29-jährigen Norderstedter wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt. Er arbeitete nebenberuflich als Babysitter und sollte auf das kleine Kind aufpassen. Die Norderstedter Kriminalpolizei prüft außerdem, ob es auch in den beiden Kindertagesstätten zu Übergriffen gekommen ist. Bisher gibt es dazu keine klaren Erkenntnisse.

"Wir sind entsetzt und geschockt", sagt Propst Thomas Drope, oberster Chef der Kindertagesstätten im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. Zwei Jahre war H. als Erzieher in der Kita in Schnelsen beschäftigt, am 1. Februar war er zu einer Tagesstätte in Norderstedt gewechselt. Bei den Jungen und Mädchen in der Kita war Stefan H. offenbar sehr beliebt. "Er ist immer offen auf die Kinder zugegangen", sagt ein ehemaliger Kollege.

Nebenher jobbte H. regelmäßig als Babysitter. Als die Mutter des vierjährigen Kindes Hinweise auf einen Missbrauch entdeckte, handelte sie sofort und erstattete Anzeige. Am 27. Februar durchsuchte die Kripo die Norderstedter Wohnung des 29-Jährigen. Dabei beschlagnahmten die Ermittler das Mobiltelefon und den Computer des Beschuldigten.

Am Morgen nach der Durchsuchung beurlaubte der Norderstedter Tagesstättenleiter Stefan H. sofort, seine Schlüssel für die Einrichtung musste er abgeben. Stunden später wurde er fristlos entlassen.

Noch ist unklar, wie schwerwiegend der Übergriff auf die Vierjährige gewesen ist. Das Kind hat offenbar keine körperlichen Verletzungen erlitten. Für die Befragung des Kindes setzen die Norderstedter Ermittler eine Beamtin ein, die für diese Aufgabe speziell geschult wurde.

Die Kripo hat für Gespräche mit minderjährigen Opfern sexuellen Missbrauchs ein besonders ausgestattetes Zimmer eingerichtet, in dem sich das Opfer und die Beamtin treffen. In dieser kindgerechten Atmosphäre soll das Mädchen möglichst unbefangen sprechen können. "Ein Kind in dem Alter zu befragen ist außerordentlich schwierig", sagte ein Beamter.

Dass Stefan H. auch für Übergriffe in der Kita in Schnelsen verantwortlich sein könnte, ist nach Dropes Einschätzung nicht ausgeschlossen. Für "unwahrscheinlich" hält er hingegen, dass es zu einem Missbrauch in der Norderstedter Einrichtung gekommen sein könnte. Bis zum Bekanntwerden der Anzeige galt H. an seinen Arbeitsplätzen "als sehr beliebter und begabter Erzieher", sagt der Propst.

Das Kita-Werk des Kirchenkreises hat alle Eltern der Gruppen von Stefan H. in Norderstedt und Schnelsen per Brief über die Vorwürfe gegen den Erzieher informiert. Auch die Väter und Mütter ehemaliger Kita-Kinder aus dem Kriegerdankweg erhielten das Schreiben, das die Telefonnummern des kirchlichen Präventionsbeauftragten und der Fachberater des Kita-Werks enthält. 200 Schreiben hat der Kirchenkreis verschickt.

Kita-Werk-Geschäftsführer Uwe Büth bittet die Eltern in dem Brief, auf eine intensive Befragung der eigenen Kinder zu verzichten. "Das kann diese nachhaltig verstören und beeinträchtigt oder schadet sogar der Arbeit der Kriminalpolizei", schreibt Büth. Wenn es jedoch Verdachtsmomente und Unsicherheiten gebe, dann vermittle die Kirche den Kontakt zu Experten, die auf dieses Thema spezialisiert seien. Wer jedoch sicher ist, dass ein Kind missbraucht wurde, sollte Anzeige bei der Polizei erstatten, sagt Propst Thomas Drope.

In dem Brief lädt Büth die Eltern zu einem Informationsabend ein. Noch in dieser Woche treffen sich die Kita-Leitungen mit Fachleuten und den Erziehungsberechtigten in den jeweiligen Kindertagesstätten.

Büth hat bereits mehrere Gespräche mit den Leitern der Kindertagesstätten geführt. "Dort stellen sich die Mitarbeiter besorgt die Frage: Haben wir etwas übersehen?", berichtet er. "Uns erschüttern diese Vorgänge sehr."

Stefan H. hat nach der polizeilichen Durchsuchung seine Wohnung in Norderstedt verlassen. Er wohnt offenbar wieder bei seinen Eltern, die im Hamburger Umland leben. Einen Haftbefehl gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft bisher nicht beantragt.

Die Ermittlungen werden noch länger dauern. Denn die Analyse seiner Computerdateien wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts soll Stefan H. die Festplatte seines Computers gelöscht haben, die jetzt aufwendig von Kriminaltechnikern wieder hergestellt werden muss.