Der Bedarf in öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen ist groß. Lange Arbeitszeiten und geringe Stundenlöhne als Probleme der Branche.

Hamburg. Ihre Aufgaben sind vielfältig. Sicherheitskräfte sind als Revierfahrer unterwegs, die auf Streifenfahrten Schulen, Kindergärten oder Verwaltungsgebäude ansteuern und kontrollieren. Sie schützen im Rahmen der Hamburger Kinder- und Jugend-Notdienst das Personal und die Betreuten in der Einrichtung und haben den Transport von Verletzten vom Hubschrauberlandeplatz im Boberger Unfallkrankenhaus bis zum Operationssaal übernommen. Spezialisten unter ihnen sind in Kernkraftwerken tätig oder als Feuerwehrleute für Airbus. Auch die an den Flughäfen Düsseldorf und Hamburg für höhere Löhne streitenden Personenkontrolleure gehören zur Branche. Doch die hat ein schwerer wiegendes Problem als die Löhne dieser Splittergruppe: Für die Expansion der Firmen fehlt es an Fachkräften.

Allein in Hamburg sind derzeit 340 Arbeitsplätze nicht besetzt und stehen mehr als 50 Ausbildungsplätze für den Herbst offen. Eine Lücke, die die Arbeitsagentur gemeinsam mit dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) schließen will. So haben beide für den 20. März zu einer Jobmesse in die Zentrale der Arbeitsagentur an der Kurt-Schumacher-Allee geladen. Dort sollen Unternehmen die Chancen in ihrer Branche vorstellen. Personalverantwortliche stehen für Bewerbungsgespräche bereit. In Hamburg suchen allein der deutsche Marktführer Securitas und die mittelständische Hamburger Power GmbH mehr als 70 der gut 300 Mitarbeiter.

Hintergründe für den Personalmangel gibt es viele. Zum einen gehen derzeit viele ehemalige Soldaten der DDR-Armee in den Ruhestand, die nach der Wende 1989 in den Sicherheitsfirmen einen neuen Job gefunden hatten. Dazu kommt, dass viele Bewerber bereits in der Probezeit den Job hinwerfen, weil sie Wochenend- und Nachtarbeit oder wechselnde Schichten als zu belastend empfinden.

Aber auch der Bedarf an neuen Sicherheitskräften steigt. "Immer mehr ehemals staatliche Aufgaben wie die Bewachung von Strafanstalten, Kasernen oder auch Flughäfen werden privatisiert", sagt Securitas-Personalchef Jürgen Wünschmann, der für 4000 Mitarbeiter im Norden zuständig ist.

"Auch bei uns nehmen die Aufträge zu", sagt Carsten Klauer, geschäftsführender Gesellschafter von POWER, das für Personen (P)- Objekt (O)- und Werksschutz (WER) steht. Vor allem die Industrie, Versicherungen und Verwaltungen bestellen bei ihm Wachen, um am Empfang zu stehen, einfahrende Lkw zu checken oder auch deren Ladung auf Verluste oder Diebstahl zu kontrollieren. Die Firmengruppe mit insgesamt 1500 festen Beschäftigten hat allein 2012 beim Umsatz um zehn Prozent auf 50 Millionen Euro zugelegt. Für 2013 erwartet Klauer erneut ein Plus von fünf bis acht Prozent.

Von dem Wachstum der Branche sollen künftig auch die Beschäftigten stärker profitieren. Das ist ein Ziel der Gewerkschaft Ver.di, die derzeit Tarifverhandlungen für die 34.000 Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen führt. Für die 8000 Mitarbeiter in Hamburg sind sie für Ende 2013 vorgesehen.

Bereits am kommenden Mittwoch beginnen aber auch die Verhandlungen über einen Bundestarifvertrag für den Mindestlohn in der Branche. "Wir fordern einen Stundenlohn von 9,50 Euro", sagt Andreas Sander, der zuständige Bundesfachgruppenleiter der Gewerkschaft Ver.di. Derzeit werden in der untersten Lohngruppe 7,50 Euro bezahlt. Immerhin hat aber der Senat in Hamburg bereits beschlossen, öffentliche Aufträge nicht zu Stundenlöhnen unter 8,50 Euro zu vergeben. Das entsprechende Gesetz muss jedoch noch den Haushaltsausschuss und die Bürgerschaft passieren. Securitas und POWER sind für die Hansestadt durchaus bereit, über ein Anheben des Mindestlohns nachzudenken. "Wir zahlen ohnehin auch in den unteren Gruppen 50 Cent bis zwei Euro pro Stunde mehr. Sonst bekommen wir gar keine neuen Mitarbeiter", sagt Securitas-Personalchef Wünschmann. POWER-Chef Klauer sieht dagegen bei einem Plus auf neun Euro Arbeitsplätze in Gefahr. "Dann könnten Privatkunden rasch wieder auf unsere Überwachung ihrer Wohnungen und Häuser verzichten oder Firmen verstärkt Sicherheitstechnik einsetzen", sagt er.

Auch bei POWER würden aber nur 20 Prozent der Beschäftigten den Mindeststundenlohn erhalten und zudem alle Pausenzeiten mit bezahlt. Gut ausgebildete Feuerwehrleute kämen dagegen auf bis zu 5000 Euro brutto.

"Wir empfehlen Interessenten für den Beruf sich in jeden Fall bei einer der 800 Firmen aus dem Bundesverband zu bewerben", sagt Ver.di-Gewerkschafter Sander. "Diese Unternehmen halten sich an die Tarife." Dagegen hat die Gewerkschaft bei anderen der insgesamt 3000 Firmen der Branche auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. "Da werden dann zusätzliche Stunden gar nicht bezahlt oder Zuschläge auch mal willkürlich gestrichen", sagt Sander.

Für Ver.di wird es bei den künftigen Tarifverhandlungen neben den Löhnen um zwei weitere Ziele gehen. "Zum einen halten wir den Zugang zu dem Beruf immer noch für zu einfach", sagt Sander. Schließlich reichten 40 Stunden Unterricht, um in das Gewerbe einzusteigen. Zwar gibt es inzwischen zwei Lehrberufe für Fachkräfte, die drei beziehungsweise zwei Jahre ausgebildet werden und dann den Weg zu einem höheren Einkommen freimachen. Doch von den insgesamt 170.000 Mitarbeitern der Branche hätten diese Ausbildung allenfalls 2000 absolviert, schätzt der Gewerkschafter.

Auch an den langen Arbeitszeiten will Ver.di etwas ändern. Im Durchschnitt sind Sicherheitskräfte mehr als 200 Stunden im Monat auf den Beinen. Zum Vergleich: Bei einer 40-Stunden-Woche kommen 172 Stunden zusammen. Ausländerfeindlichkeit, die ARD-Reporter beim Sicherheitsdienst Hensel European Security Services (H.E.S.S.) festgestellt hatten, hält Sander dagegen für eher selten in der Branche. Der Onlinehändler Amazon hatte sich von der Sicherheitsfirma getrennt, nachdem H.E.S.S-Mitarbeiter ausländische Leihkräfte schikaniert hatten. "Bei uns muss jeder Mitarbeiter unterschreiben, dass er niemanden diskriminieren wird und zur Verfassung steht", sagt Securitas-Personalchef Wünschmann. "Hält er das nicht ein, gibt es eine Abmahnung, danach folgt dann die Kündigung."

Ähnliches gilt auch für POWER. "Wir würden ein diskriminierendes Verhalten keinesfalls tolerieren, schon allein deshalb, weil viele Menschen mit Migrationshintergrund bei uns tätig sind", sagt Firmenchef Klauer. "So etwas geht bei uns gar nicht."