Eine Glosse von Alexander Schuller

Die Tiefkühllasagne ist entsorgt, die neue Bildungs- und Wissenschaftsministerin ist vereidigt, vom Powerpärchen Bettina und Christian Wulff i. Tr. hört man nix Neues, und der von Guttenberg will jetzt doch in den USA bleiben. Das dürfte dann wohl ein ödes Wochenende werden. Aber wie war das denn noch mal mit dem Dioxin in Bioeiern? Den rostenden Atomfässern in der Asse? Dem Ehec? Dem Gammelfleisch im Döner?

Es ist eine Schande: Über all diesen Skandalen liegt längst der Schnee von gestern, und ein neuer Aufreger ist nicht in Sicht. Psychologen warnen bereits wieder vorm "kalten Skandalentzug". Denn die beiden halb fertigen Jahrhundertbauwerke Großflughafen (in Berlin) und Elbphilharmonie (in Hamburg) eigneten sich höchstens für eine Substitutionstherapie skandalverwöhnter Wutbürger.

Sämtliche Skandalforscher auf nationaler und internationaler Ebene sind sich einig: Es war Karl Marx, der mit seiner These "Skandale sind Opium fürs Volk!" im Jahre 1848 einer bis dahin unterentwickelten Charaktereigenschaft der Deutschen zum Durchbruch verhalf: dem gesunden Misstrauen, und zwar gegenüber allem und jedem, was bevorzugt in sozial befriedeten Metropolregionen wie Hamburg ausgelebt werde. Denn wenn das unvermeidliche Böse ausbleibe, werde sofort zwanghaft gebuddelt; tiefer und tiefer, bis der Skandal ans Licht käme. Interessanterweise sei es jedoch völlig egal, um was für einen Skandal es sich dann handelt. Echten Skandaljunkies, so die Experten, gehe es nur darum, Schuldzuweisungen zu verteilen und sich unablässig belogen und betrogen fühlen zu können.