5000 Fälle an Hamburger Grund- und Stadtteilschulen. Starker Anstieg seit 2012

Hamburg. Der Ansturm von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung (LSE) auf Grund- und Stadtteilschulen in Hamburg hält unvermindert an. Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der LSE-Kinder an den allgemeinen Schulen auf 5079 Jungen und Mädchen mehr als verdoppelt. Das ist ein zentrales Ergebnis der Herbststatistik, die Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) jetzt vorgestellt hat.

Bereits 2011 hatte sich die Zahl der LSE-Kinder an Grund- und Stadtteilschulen gegenüber dem Vorjahr auf 2407 verdoppelt. Im Schulgesetz ist das Recht auf Inklusion (Einschluss) festgeschrieben, das Eltern ermöglicht, ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf einer Regelschule statt auf einer Sonderschule anzumelden. Merkwürdig ist jedoch, dass die Schülerverluste an den Sonderschulen nicht dem Zuwachs an Grund- und Stadtteilschulen entsprechen. "Die allgemeinen Schulen melden dreimal so viele LSE-Schüler, wie an den Sonderschulen wegschmelzen", sagte Rabe.

Bislang gibt es keine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen. Der Anstieg kann auf eine gewachsene Sensibilität der Pädagogen zurückzuführen sein, oder die Schulen versuchen auf diesem Weg, langfristig mehr Förderressourcen zu bekommen. "Warum die Zahlen so ansteigen, ist eine bedrückende und aufwühlende Frage", sagte Rabe, der bekannte: "Von dem Begriff LSE träume ich mittlerweile."

Die enormen Zuwächse in diesem Bereich seien erst seit Einführung der Inklusion 2010 zu beobachten. Vorher habe die Zahl der LSE-Kinder an allen Schulformen relativ konstant bei rund 6000 gelegen. Jetzt sind es fast 9000 Jungen und Mädchen, wobei nur noch eine Minderheit (3708 Kinder) die Sonderschulen besucht. Rabe sprach mit Blick auf den Anstieg vom "unaufgearbeiteten, schwierigen Feld der Diagnostik". Der SPD-Politiker hat den Hamburger Erziehungswissenschaftler Prof. Karl Dieter Schuck beauftragt, die erheblichen Veränderungen an den Schulen zu überprüfen und zu analysieren.

Bis zum Sommer will der Schulsenator das System der pauschalen Zuweisungen der Förderressourcen überarbeiten. Abhängig vom Sozialstatus der Elternschaft im Einzugsgebiet wird für jede Schule eine pauschale Quote von Inklusionskindern (zwischen einem und 16 Prozent) festgelegt, nach der sich die Zahl der Sonder- und Sozialpädagogen richtet, die die Schule erhält. Der Mittelwert des Anteils der Inklusionskinder liegt bei fünf Prozent. Real liegt deren Anteil an der Gesamtschülerschaft schon bei 6,6 Prozent (12.009 Schüler). Jetzt sollen die Quoten für die einzelnen Stadtteilschulen überprüft werden.

"Die angekündigte Nachsteuerung ist dringend nötig, kommt aber sehr spät", sagte die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Einige Schulen hätten einen Anteil von 30 Prozent Inklusionskindern. "Rabe lässt die Schulen damit allein." Die FDP-Schulexpertin Anna von Treuenfels fordert eine "punktgenaue Förderung" anstelle des "Gießkannenprinzips". Der CDU-Politiker Robert Heinemann sieht im Anstieg der Inklusionskinder ein "Alarmsignal". Die Schulen seien "mit der überhasteten, schlecht gemachten Einführung der Inklusion überfordert".