Die Anwälte von Tommy K. wollen gegen das Urteil des Hamburger Landgerichts vorgehen, das dem Rocker das Tragen seiner Jacke untersagt.

Neustadt. Es ist ein Urteil, das es in sich hat und für einigen Aufruhr bei den "Höllenengeln" sorgen dürfte - vorausgesetzt es wird rechtskräftig. Dann dürften die Hells Angels zumindest in Hamburg ihre Vereinskluft nicht mehr öffentlich tragen. Denn nach Auffassung des Landgerichts sind die auf den Kutten prangenden, typischen Kennzeichen - der geflügelte Totenkopf, der Schriftzug MC und das Logo Hells Angels - grundsätzlich verboten.

Auf der Anklagebank sitzt der Mann, der das Urteil durch eine gezielte Provokation erzwungen hat: Tommy K., ein bulliger Kerl mit blonden, zum Zopf gebundenen Haaren und breiten Oberarmen. Das Mitglied des Hells-Angels-Chapters "Harbor City" zieht ein enttäuschtes Gesicht. Obgleich die Strafe dafür, dass er öffentlich seine Hells-Angels-Kutte getragen und damit gegen das Vereinsgesetz verstoßen hat, milde ausfällt: Er wird verwarnt. Eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro wird nur fällig, wenn sich der 49-Jährige in den nächsten 18 Monaten etwas zuschulden kommen lässt. Am härtesten dürfte ihn ohnehin getroffen haben, dass das Gericht seine Kutte eingezogen hat.

Doch um sein Schicksal war es Tommy K., Spitzname "Stuttgart-Tommy", nie gegangen. Dem 49-Jährigen ging es um viel mehr, um die Frage nämlich, ob er mit dem Segen der Justiz seine Kutte mit den Hells-Angels-typischen Aufnähern und dem Zusatz "Harbor City" öffentlich tragen darf.

Seit 1997 ist Tommy K. Angels-Mitglied, seit 2005 bei "Harbor City", dem inoffiziellen Nachfolger der 1983 verbotenen Ortsgruppe der Hamburger Hells Angels. Im März 2011 posierte der 49-Jährige in der Kutte vor dem Hamburger Michel und schickte ein Foto der Polizei. Eine gezielte Provokation und ein Tabubruch dazu. Einmal, weil die Hells Angels in Hamburg seit Jahrzehnten ihre Farben und damit ihre Macht nicht mehr öffentlich zur Schau stellen. Überdies wusste Tommy K., dass er sich mit dem Fotoshooting vor der Hamburger Attraktion möglicherweise strafbar gemacht hat. Doch eben das war ja sein Ziel: Der 49-Jährige wollte die Causa Kutte endgültig von einem Gericht klären lassen. Im März 2012 schließlich klagte ihn die Staatsanwaltschaft an. Der Vorwurf: Er habe rechtswidrig Kennzeichen der 1983 verbotenen Ortsgruppe verwendet, da die auf der Kutte sichtbaren "Patches" (Aufnäher) den "unbefangenen Betrachter" zu sehr an das Originallogo erinnerten. Damit drangen die Ankläger jedoch nicht durch - die erste Instanz sprach Tommy K. frei. Doch jetzt hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben. Und ist damit nach Meinung von Verteidigerin Annika Hirsch "weit über alle bisherigen Rechtsauffassungen hinausgegangen." Die Kennzeichen, die der Rocker an jenem Tag trug, seien, so das Gericht, bereits seit 1983 verboten: der geflügelte Totenkopf, der Schriftzug MC (für Motor-Club) und das Logo Hells Angels. Der Stil, die Anordnung der Kennzeichen, die Farben - das ganze Design ähnele dem der Originalkutten. "Es geht hier nicht nur darum, Ähnlichkeiten auszuschließen, sondern sich komplett zu distanzieren", sagte Richterin Martina Jenssen-Görke. Als unabdingbares Distanzierungsmerkmal reiche der unten angebrachte Zusatz, der Fantasiename "Harbor City", nicht aus. Eine Verwechslungsgefahr müsse rigoros ausgeschlossen werden, was bedeute, dass die Vereine die "Kennzeichen so ändern müssen, dass sie nicht mehr an die verbotenen erinnern. Oder sich hinreichend von ihnen distanzieren."

Mehrere Gerichte hatten zwar in der Vergangenheit entschieden, dass eine Verwechslung mit den verbotenen Rockerclubs durch einen Ortszusatz gewährleistet sei. So eindeutig ist das für das Hamburger Gericht allerdings nicht.

Was verboten, was erlaubt ist, darüber ist sich die Hamburger Justiz indes uneins. So hatte die Staatsanwaltschaft bereits im Februar 2012 einen 42-Jährigen angeklagt, weil er bei einem Prozess in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Hells Angels - Motorcycleclub" aufgekreuzt war. Auch dieser Fall ging durch zwei Hamburger Instanzen. Mit dem Ergebnis, dass beide Kammern keine Verwechslungsgefahr mit den Kennzeichen des verbotenen Clubs sahen.

Es ist wohl nur ein Etappensieg für die Staatsanwaltschaft, das juristisch entscheidende Gefecht um die Kutte wird vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht geschlagen. Tommy K.s Verteidiger Mathias Huse und Annika Hirsch kündigten an, dort umgehend Revision einzulegen. Bis zu einer Entscheidung dürften also noch viele Monate vergehen.