Rot-Grün in Niedersachsen hat wenig Gestaltungsspielraum

Als Christian Wulff 2003 mit einer Koalitionsregierung von CDU und FDP in Niedersachsen an die Macht kam, entdeckte er Hermann Hesse: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." Recht hatte er, und diese Erfahrung machen dort jetzt auch SPD und Grüne.

Natürlich werden sich die beiden Parteien erst einmal begeistert daranmachen, hier Verzierungen aus bürgerlichen Regierungszeiten zu knicken und dort einige eigene Duftmarken zu setzen. Der Frust der langen Oppositionsjahre will abgearbeitet werden. Die Koalitionäre sind dabei aber gut beraten, Augenmaß zu zeigen und keine Veränderung um der Veränderung willen zu betreiben. Die Gestaltungsspielräume der Landespolitik sind nicht mehr sehr groß, der weitere schleichende Bedeutungsverlust der Landtage wird auch durch Regierungswechsel nicht gebremst. Bei Licht betrachtet bleibt als "Spielfeld" eigentlich nur die Bildungspolitik, und die schreit nach mehr Einheitlichkeit und nicht nach immer neuen Flicken im föderalen Teppich.

Natürlich wird die neue Landesregierung jetzt erst einmal noch mehr Geld ausgeben, das sie nicht hat: Entscheidend aber wird sein, ob sie dabei Maß hält und nicht völlig abweicht vom Pfad hin zur Schuldenbremse. Schlichtweg unseriös wäre es, wenn der neue Ministerpräsident Stephan Weil und sein Kabinett ihre Finanzierungspläne auf grundlegende Steueränderungen aufbauen würden, die einen Regierungswechsel auf Bundesebene voraussetzen.

Spannend wird es ohnehin erst, wenn Mitte dieser Woche der Koalitionsvertrag schriftlich vorliegt: Bleibt er an Knackpunkten schwammig oder ist er so präzise, dass er als Fundament taugt für ein gedeihliches Miteinander während der fünfjährigen Legislaturperiode?

Und das gedeihliche Miteinander ist in diesem Fall besonders wichtig, weil die neue Koalition im Landtag nur über eine Stimme Mehrheit verfügt. Der Zauber des Machtwechsels wird verfliegen, und dann braucht es klare Zielvorgaben, damit die Politik im Alltag funktioniert.