Gegenwind für Investoren: Die Energiewende in Hamburg verzögert sich. Bereits im Jahr 2009 wollten private Betreiber vier Anlagen erneuern.

Hamburg. Jens Heidorn und Klaus Soltau müssen lange warten. Bereits im Jahr 2009 haben die beiden größten privaten Betreiber von Windrädern in der Stadt einen Antrag gestellt, vier ihrer in die Jahre gekommenen Anlagen erneuern zu können. Sie sind zu alt und zu klein geworden. Neue, höhere und technisch leistungsfähigere Türme erzeugen mehr als achtmal so viel Strom. "Eigentlich wollten wir schon 2011 mit dem Repowering, also der Aufrüstung der bisherigen Standorte, beginnen", sagt Klaus Soltau. Insgesamt 48 Millionen Euro will ihr Unternehmen NET gemeinsam mit den Kunden der Firma in die Windkraft in Hamburg investieren. Sie möchten die kleinen Räder abreißen und durch leistungsfähigere ersetzen.

Doch der Antrag der beiden Unternehmer geriet in die Mühlen der Behörden. Es gibt bis heute keine verbindliche Entscheidung seitens der Stadt - obwohl sich Hamburg schon im Jahr 2007 auf die Fahnen geschrieben hat, dass die Windenergie ausgebaut werden soll. "Die europäische Umwelthauptstadt verzögert den Bau neuer Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energie", sagen die beiden Diplom-Ingenieure, die auch drei Anlagen in Ochsenwerder betreiben und fünf in Altengamme. In Neuengamme beispielsweise hat die Kulturbehörde Einspruch gegen die Neubaupläne von Heidorn und Soltau eingelegt, weil sie fürchtete, dass Besucher der KZ-Gedenkstätte zu sehr durch die Windräder abgelenkt würden. Die beiden mussten einen neuen Antrag einreichen, der den Wünschen der Behörde, etwa einen größeren Abstand zur Gedenkstätte einzuhalten, entsprach. Wieder verging wertvolle Zeit, wieder gibt es noch keinen Bescheid.

Eigentlich will die Stadt Hamburg, dass künftig mehr Strom durch Windkraft erzeugt wird. Die Leistung soll von derzeit rund 52 Megawatt auf deutlich mehr als 100 Megawatt gesteigert werden. Doch das Änderungsverfahren des Flächennutzungsplans und des Landschaftsprogramms "Eignungsgebiete für Windenergieanlagen in Hamburg" verlief in den vergangenen Monaten sehr schleppend. Nach den ursprünglichen Plänen hätten die Ergebnisse bereits im vergangenen Jahr der Bürgerschaft vorgelegt werden sollen. Doch das wurde vereitelt, weil knapp 800 Einsprüche gegen die Pläne eingereicht wurden. Und genau dieses verhindert den Genehmigungsprozess. Unter anderem kamen die Beschwerden von Bürgerinitiativen, zum Beispiel in Ochsenwerder und Neuengamme. So forderten viele Menschen, dass ein Windrad mindestens eineinhalb Kilometer Abstand von Wohngebäuden haben soll. Dies hätte jedoch zur Folge, dass in ganz Hamburg keine einzige neue Anlage gebaut werden könnte. Zudem dürften die Türme laut den Einsprüchen nicht höher als insgesamt 100 Meter sein, so die Forderungen von Bürgern. Soltau und Heidorn planen 150 Meter Gesamthöhe, die vermutlich von der Behörde auch genehmigt werden. Wirtschaftlich würde sich die Forderung der Bürgerinitiativen nicht rechnen, sagt Soltau. Da müssten wir jedes Jahr noch richtig viel Geld mitbringen."

Auch die Ende Januar des vergangenen Jahres eingeweihte Anlage von Hamburg Energie in Georgswerder ist 150 Meter hoch. Die Gegner der Windkraft sorgen sich neben der Lärmbelästigung und dem Schattenwurf um den Wert ihrer Grundstücke. Der würde, so fürchten sie, mit jedem neuen Turm in der Nähe sinken. Die Behörde arbeitet die zahlreichen Einsprüche derzeit ab. Das braucht viel Zeit, in der sich Heidorn, Soltau sowie andere Investoren in Hamburg in Geduld üben müssen.

Die Energiewende muss warten. Noch gibt es keine positive Entscheidung für die Investoren. Heidorn und Soltau hoffen jetzt, dass der geänderte Flächennutzungsplan noch in diesem Jahr verabschiedet wird. "Dann können wir hoffentlich loslegen." Laut Umweltbehörde werden die Windpläne voraussichtlich im Juli oder August dem Senat präsentiert, im September oder Oktober soll sich die Bürgerschaft damit befassen. Im Kern geht es darum, dass 42 kleine Anlagen ersetzt werden (siehe Tabelle). In Neuengamme wird die Zahl der Windräder auf sechs halbiert, im Gegenzug werden erstmals in Curslack fünf neue Anlagen, unter anderem für die Hochschule HAW, gebaut.

Hamburg ist kein Einzelfall. "Dass Projekte durch administrative Hürden verzögert werden, ist auch uns bekannt", sagt Alexander Sewohl vom Bundesverband Windenergie. Um das Thema nach vorn zu bringen, haben Studierende der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) mit Hilfe des Plakataufstellers Stroer Werbeplakate für die Windkraft in Hamburg aufgestellt und eine Befragung durchgeführt. Ergebnis: Die Bevölkerung sollte stärker über erneuerbare Energien informiert werden: Nur 33 Prozent der Befragten kennen demnach die EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien. Dennoch stehen die Hamburger geschlossen hinter der Energiewende: 90 Prozent erachten die Förderung von regenerativer Energie als wichtig oder sehr wichtig.